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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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die Wohnung erwies sich als ein absolutes Museum des Unaussprechlichen.
    Das Gesicht des Majors nahm permanent die Farbe einer überreifen Tomate an. Schweiß stand ihm auf der Stirn. In verzweifeltem Entschluß rannte er ans Telefon und meldete über die Wehrmachtsvermittlung Leander 14 ein Blitzgespräch nach Toulouse an.
    Gott sei Dank. Werthe war noch da. Brenner stöhnte vor Erleichterung, als er seines Obersten Stimme hörte. Atemlos berichtete er, in welchen Sumpf er gestürzt war.
    In Toulouse stöhnte auch Oberst Werthe über seinen biederen Major, aber das entging diesem. Er hörte Werthe nur fragen: »Und Material … Kassenscheine und so weiter … nichts zu finden?«
    »Nichts, Herr Oberst.«
    »Hören Sie zu, Brenner: Lieven muß bald in Paris eintreffen. Sie dürfen die Wohnung nicht verlassen. Sie dürfen auch niemandem etwas von Toulouse erzählen …«
    »Verstehe, Herr Oberst. Rühre mich hier nicht weg, schweige wie das Grab.«
    »Rufen Sie im ›Lutetia‹ an und in der Privatwohnung von Lieven. Sobald er in Paris eintrifft, soll man ihn zu Ihnen schicken.« Brenner hängte ein. Lieven! Thomas Lieven! Ach, wie eine lichte Hoffnung schien der Sonderführer ihm. Wenn er nur kam, bald kam …
    Irgendwo kreischte die Zofe, als würde sie gekitzelt. Zornig stürzte der Major los, um den Übeltäter zu suchen. Herrgott, was für eine widerwärtige Situation!
    6
    Was der Major Brenner und seine Männer bisher in des Blutordensträgers geheimer Absteige gefunden hatten, waren – außer den unaussprechlichen Sammlungen – wertvolle Schmuckstücke, große Mengen von Goldmünzen, fernöstliche Liebhaberdrucke und Schnitzereien, aber keineswegs Beweise für Petersens Teilnahme an der Reichskreditkassenschein-Schiebung.
    Immer wieder versuchte Madame Page, sich am Sonnenvorhang eines der Fenster zu schaffen zu machen, bis Major Brenner ihr dies strikt verbot.
    Anderthalb Stunden waren seit dem Beginn der Haussuchung vergangen. Plötzlich schrillte die Wohnungsglocke. Lilly wurde leichenblaß.
    Brenner zog seine Pistole. »Kein Wort«, zischte er. Rückwärts gehend, bewegte er sich durchs Vorzimmer. Fuhr herum. Riß die Tür auf. Und packte den Mann, der draußen stand.
    Der Mann war jung, hübsch, olivenfarben. Er trug glattes, schwarzes Haar, einen kleinen Schnurrbart, langbewimperte Augen und zwei Narben an der rechten Wange, wie von Messerschnitten. Jetzt war er leichenblaß.
    »Idiot!« schrie die üppige Lilly ihn an. »Warum kommst du herauf?«
    »Warum soll ich nicht heraufkommen?« schrie er zurück. »Der Sonnenvorhang war oben!«
    »Aha!« rief Brenner triumphierend. Dann durchsuchte er den Mann nach Waffen. Der Mann hatte keine. Sein Paß wies ihn als Prosper Longtemps aus. Beruf: Schausteller. Alter: 28. Brenner nahm ihn ins Verhör. Der junge Mann schwieg verbissen.
    Plötzlich schluchzte Lilly verzweifelt auf: »Monsieur le Commandant, ich will alles sagen! Prosper ist meine – meine große Liebe; ich habe Petersen mit ihm betrogen, immer schon … Glauben Sie mir?«
    »Kein Wort«, sagte Brenner eiskalt und dachte: So eiskalt würde auch Lieven reagieren. Dann sperrte er Prosper Longtemps ins Badezimmer.
    Es war bereits dunkel draußen, halb acht Uhr. Der Major rief wieder im »Lutetia«, dann in Lievens Privatwohnung an. Nein, Thomas Lieven war noch nicht aufgetaucht.
    Brenner wagte nicht, auch nur einen seiner fünf ausgesuchten Leute etwa an den Bahnhof zu schicken, um dort Lieven direkt vom Zug abholen zu lassen. Wer wußte, ob nicht der SD anrücken würde? Dann mußte er diese Wohnung wie eine Festung verteidigen – alleine?
    Was konnte er nur noch tun? Major Brenner zergrübelte sich den Kopf. Alles hatte so forsch und vielversprechend begonnen – und jetzt? Jetzt saß er in einer schwülen Wohnung, angefüllt mit unaussprechlichen Dingen, doch leer an Beweisen. Einen Gefangenen hatte er gemacht, jawohl. Aber was war das für ein Mensch? Wie sollte er, Brenner, jemals die Wahrheit erfahren?
    Und zu allem noch diese verwirrende Madame Page mit ihrer bildhübschen Zofe und fünf Männer, die nur mühsam von den unaussprechlichen Sammlungen und von der Zofe zurückzuhalten waren. Ach, wäre er doch bloß am Schreibtisch seiner Dienststelle im Hotel »Lutetia« geblieben! Theoretische Generalstabsarbeit – das war seine Stärke, nicht aber Taktik und Strategie im unmittelbaren Einsatz …
    Brenner schrak auf. Madame hatte angeregt, ihre Zofe könnte doch wohl ein paar

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