Es muß nicht immer Kaviar sein
belegte Brote für die hungrigen Männer zubereiten …
Major Brenner zögerte. Durfte er das zulassen? Waren Madame und die Zofe nicht der Feind? Andererseits: Die Männer waren hungrig, und er wollte ein verständnisvoller Vorgesetzter sein. Er ließ also die Zofe in die Küche gehen, stellte einen Mann zu ihrer Überwachung ab und schärfte ihm ein, sich
absolut
korrekt zu verhalten.
Bald kauten die Männer mit vollen Backen und tranken dazu Sekt, der sich im Eisschrank gefunden hatte. Brenner lehnte erst mannhaft alles ab. Später aß er doch ein Häppchen, trank ein Schlückchen …
Es wurde neun Uhr, zehn Uhr. Und immer noch keine Spur von Thomas Lieven. Die Damen meinten, sie würden es vorziehen, ins Bett zu gehen.
Brenner gestattete es ihnen. Er organisierte den Wachdienst. Ein Mann vor dem Zimmer der Zofe, ein Mann vor dem Zimmer der Hausfrau, ein Mann vor dem Badezimmer. Zwei Mann an der Haustür. Er selber blieb im Salon, neben dem Telefon.
Er würde nicht schlafen, dachte er. Er kam sich vor wie ein Fels in der Brandung. Nicht zu korrumpieren. Nicht zu unterhöhlen. Nicht zu …
Dann war er doch eingeschlafen!
Als er erwachte, war es dunkel im Salon. Er spürte, wie weiche Hände sanft über seinen Leib tasteten …
»Still«, flüsterte Lilly Page, »sie schlafen alle … Ich tue, was Sie wollen, aber lassen Sie Prosper laufen …«
»Madame«, sagte Brenner fest, und seine Hände umklammerten ihre Arme wie Schraubstöcke, »nehmen Sie sofort Ihre Hände von meiner Pistole!«
»Ach«, seufzte Lilly in der Dunkelheit, »ich will doch nicht deine Pistole, du Narr …«
In diesem Augenblick schrillte die Türglocke.
7
Thomas Lieven kehrte um 22 Uhr 10 nach Paris zurück. Im Hotel »Lutetia« teilte man ihm aufgeregt mit, daß Major Brenner ihn schon seit Stunden dringend in der Avenue Mozart 28 erwarte. Der Major sei mit einem ganzen Kommando ausgerückt.
»Hm«, sagte Thomas und dachte: Was, um Gottes willen, tut Brenner seit Stunden in der geheimen Absteige dieses Schiebers Petersen?
In der Halle des Hotels erblickte er seine beiden alten Freunde, die kriegsmüden, barrasschlauen Funkgefreiten Raddatz und Schlumberger, die er im Verlaufe seines Abenteuers mit dem »Maquis Crozant« kennen- und schätzengelernt hatte. Der Berliner und der Wiener begrüßten ihn strahlend. Sie waren eben abgelöst worden.
»Möönsch«, freute sich der hagere Berliner mit der Vorliebe für französische Magazine, »kiek mal, Karli, det is ja unsa Herr Sondaführa!«
»Kommen S’ mit, Herr Sonderführer?« fragte der leicht verfettete Wiener. »Mir gehn noch in die Rue Pigalle, a poar fesche Katzerl aufreißn.«
»Hört mal zu, Kameraden«, sagte Thomas Lieven, »verschiebt eure löblichen Absichten ein wenig und kommt mit mir. Vielleicht brauche ich euch.«
Und so standen die drei gegen 23 Uhr dann vor der Wohnung in der Avenue Mozart 28. Thomas klingelte. Danach ertönten mehrere Stimmen. Danach gab es einiges Gepolter. Dann kamen Schritte heran. Dann flog die Tür auf. Major Brenner stand in ihrem Rahmen, dunkelrot, außer Atem, mit verwirrtem Haar, Lippenstiftspuren am Halse. Hinter ihm sahen Thomas und seine Freunde eine Dame, die einen Traum von Nachthemd trug – und sonst gar nichts.
Major Brenner stammelte: »Herr Lieven … Gott sei Dank, daß Sie endlich kommen …« Galant küßte Thomas Lieven der Dame im Nachthemd die Hand.
Dann erklärte Major Brenner die Gesamtsituation, berichtete von dem, was er leider in dieser Wohnung vorgefunden und was er leider in dieser Wohnung nicht vorgefunden habe. Zuletzt kam er auf seinen Gefangenen zu sprechen.
»Prosper ist mein Geliebter«, warf Lilly Page, inzwischen mit einem Morgenmantel etwas mehr bekleidet, ein. Sie sah Thomas tief in die Augen. »Er weiß von nichts, was Petersens Geschäfte angeht.«
»Anging«, verbesserte Thomas. »Erich Petersen ist nämlich erschossen worden. In Toulouse, von einem seiner Geschäftspartner …«
Lillys schöne Lippen schürzten sich zu einem schönen Lächeln. Sie sagte mit einem unirdischen Ausdruck des Glücks: »Endlich hat’s ihn erwischt, den elenden Schuft.«
»Lassen Sie sich nicht von Ihrem Schmerz überwältigen, Madame«, bat Thomas.
Der kleine Major begriff nichts mehr. »Aber«, sagte er, »aber ich dachte …«
»Mensch Meier«, unterbrach ihn in diesem Moment die sonore Stimme des Gefreiten Raddatz. »Det is ja ’n Ding, muß ick ja sajen …«
»Was fällt Ihnen ein, mich
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