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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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halbe Stunde lang mit dem Genossen Schenkow auf russisch in genau jener Art und über genau jene Dinge, die Thomas Lieven ihm eingeschärft hatte. Denn Thomas hatte eine solche kleine Panne natürlich von Anfang an einkalkuliert.
    Eine halbe Stunde später kehrte Genosse Andrejew S. Schenkow bleich, verstört und mit schweißfeuchter Stirn in sein Zimmer zurück. Hier warteten auf ihn seine Freunde Tuschkin, Bolkonski, Balaschew und Alpalytsch.
    »Genossen«, stöhnte Schenkow und fiel in einen Sessel, »wir sind verloren.«
    »Verloren?«
    »Praktisch schon in Sibirien. Es ist grauenhaft. Es ist entsetzlich. Wißt ihr, wer Kutusow ist? Er ist der Kommissar, den sie uns nachgeschickt haben, um uns zu überwachen. Er hat alle Vollmachten. Und er weiß alles über uns.«
    »Alles?« schrie Bolkonski entsetzt auf.
    Schenkow sprach dumpf: »Alles. Wie wir hier arbeiten. Was wir hier getrieben haben.« Entsetzen malte sich auf den Zügen seiner vier Freunde. »Es gibt nur noch eines, Genossen, wir müssen versuchen, ihn zum Freund zu gewinnen. Und arbeiten wie Tiere, Tag und Nacht. Keine Zizi mehr! Keine Nylons und amerikanischen Konserven und Zigaretten mehr! Dann wird Kutusow
vielleicht
noch einmal Gnade vor Recht ergehen lassen …«
    Solcherart war, dank Lievens vorausblickendem Ingenium, der kleine Zwischenfall beigelegt, und das große »Pastis-Geschäft« konnte in aller Ruhe abgewickelt werden.
     
    Am 29. Mai brachte ein sehr glücklicher, weil relativ wohlhabender Exgenosse Kommissar und Taxi-Aristokrat Kutusow seine beiden Freunde in seinem alten Pontiac nach Straßburg. Hier kannte Thomas aus den seligen Zeiten seines »Kriegsverbrecher-Suchdienstes« ein paar freundliche französische Grenzer und ein paar freundliche deutsche. Mit ihrer Hilfe sollte es unschwer gelingen, die beiden Koffer der Herren Lieven und Fabre unkontrolliert aus einem Land in das andere zu bugsieren. Die Schrankkoffer enthielten den Lohn der »Pastis«-Mühe.
    Im Fond des Pontiacs schwärmte Thomas: »Jetzt geht’s nach England, Bastian! Ins Land der Freiheit! Ach, mein Club – meine schöne Wohnung – meine kleine Bank – du wirst England lieben, mein Alter …«
    »Hör mal, aber die Engländer haben dich doch 1939 ausgewiesen!«
    »Ja«, sagte Thomas, »darum müssen wir eben auch noch auf einen Sprung nach München. Da sitzt ein Jugendfreund von mir, der wird mir helfen, wieder nach England reinzukommen.«
    »Was is’n das für’n Jugendfreund?«
    »Ein Berliner. Jetzt amerikanischer Major. Redakteur einer Zeitung. Kurt Westenhoff heißt er«, sagte Thomas, selig lächelnd. »Ach, Bastian, ich bin ja so froh – alle Unordnung hat jetzt ein Ende. Ein neues Leben beginnt – eine neue Zeit.«
    11
    Unter vielen Besuchern wartete auch Thomas Lieven im Vorzimmer des amerikanischen Majors Kurt Westenhoff. In München. In der Schellingstraße. Im Riesengebäude des ehemaligen Eher-Verlages.
    Im sogenannten Tausendjährigen Reich war hier der »Völkische Beobachter« von den Nazis gedruckt worden. Jetzt wurde hier eine andere Zeitung von den Amerikanern gedruckt.
    Es war sehr heiß in München an diesem 30. Mai 1946. Manchen der mageren, blassen Herren in Westenhoffs Vorzimmer stand der Schweiß auf der Stirn. Nachdenklich sah Thomas Lieven sich um. Er dachte: Da sitzt ihr. In alten Anzügen, die euch zu groß geworden sind. Mit zu weiten Hemdkrägen. Hager, unterernährt und blaß. Wenn ich euch so betrachte, ihr Bittsteller und Hochgeschwemmten der ersten Nachkriegszeit, die ihr hierherkommt um Hilfe, um einen Posten, um Persilscheine … Ihr seht nicht so aus, als ob ihr eure Köpfe hingehalten hättet draußen an der Front oder im echten Widerstand gegen die Nazis. Ihr wart wohl still während der tausend Jahre. Ohren zu, Augen zu, Mund zu. Aber jetzt wollt ihr endlich an die Macht! Bald werdet ihr euch vor den Futterkrippen der Nation drängen und euren Teil herausholen aus dem großen Wurstkessel. Bald werdet ihr oben sein, in der Regierung, in der Wirtschaft, im ganzen Land. Denn die Amerikaner werden euch helfen …
    Aber, dachte Thomas Lieven, seid ihr die Richtigen für den richtigen Weg? Werdet ihr die
einzigartige
Gelegenheit nutzen, Deutschland und die Deutschen nun ein wenig aus der Weltgeschichte zu empfehlen – für eine Weile wenigstens?
    Zwei Weltkriege haben wir begonnen und verloren im Lauf von zweiunddreißig Jahren. Eine forsche Leistung! Wie, wenn wir uns nun zurückzögen, neutral würden –

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