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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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uns poussieren ließen von den Amis und den Russen – Handel trieben mit West
und
Ost? – Wir haben so viel geschossen! – Wenn wir nun – bitte nicht gleich böse werden, ist ja nur ein Vorschlag! – überhaupt nie mehr schießen wollten? Du lieber Gott im Himmel, wäre das schön!
    Eine bildhübsche Sekretärin erschien. »Herr Lieven, Major Westenhoff erwartet Sie«, sagte die junge Dame, die später einmal Mrs. Westenhoff heißen sollte. An ihr vorbei ging Thomas in das Büro des Redakteurs, der ihm mit ausgestreckter Hand entgegenkam.
    »Tag, Thomas«, sagte Kurt Westenhoff. Er war klein und rundlich. Er besaß spärliches blondes Haar, eine schöne Stirne und kluge blaue Augen, die immer freundlich und immer melancholisch wirkten.
    Der Vater dieses Mannes, Dr. Hans Westenhoff, hatte als Chefredakteur des Ullstein-Verlages in Berlin gearbeitet, für die » BZ am Mittag« und für das »Tempo«. Dann hatte die Familie emigrieren müssen. Nun war der Krieg zu Ende. Nun war Kurt Westenhoff zurückgekommen in dieses Land, das ihn fortgejagt hatte.
    »Tag, Kurt«, sagte Thomas. 1933 hatte er diesen Mann zum letztenmal gesehen, in Berlin. Dreizehn Jahre waren vergangen. Trotzdem hatte Westenhoff sich sofort an ihn erinnert.
    Thomas sagte heiser: »Ich … ich danke dir.«
    »Quatsch, Mensch! Ich kenne dich seit unserer Schulzeit. Ich habe deinen Vater gekannt. Ich brauche keine Fragen zu stellen bei dir. Nur eine: Wie kann ich dir helfen?«
    Thomas sagte: »Du weißt, ich war vor dem Krieg Bankier in London. ›Marlock and Lieven‹. Dominion Agency, in der Lombard Street.«
    »Dominion Agency, richtig! Ich erinnere mich.«
    »Ich habe wüste Jahre hinter mir. Euer CIC wird ein Riesendossier über mich haben. Aber ich sage die reine Wahrheit: In den ganzen Schlamassel bin ich nur durch meinen Kompagnon Marlock geraten. Er hat dafür gesorgt, daß ich aus England ausgewiesen wurde. Er hat sich die Bank unter den Nagel gerissen. Seit 1939 habe ich nur einen Wunsch, nur einen Gedanken: dieses Schwein zu stellen!«
    »Ich verstehe«, sagte Westenhoff. »Du willst rüber nach England.«
    »Um mit Marlock abzurechnen, ja. Kannst du mir dabei helfen?«
    »Sure, boy, sure!« sagte der amerikanische Berliner. Und er irrte sich!
     
    Zwei Wochen später, am 14. Juni, forderte Westenhoff Thomas auf, ihn am Abend in seiner Villa zu besuchen.
    »Tut mir leid, Thomas«, sagte sein Freund zu ihm, als sie beide auf der Terrasse hinter dem Haus saßen und in den dämmerigen Garten hinausblickten. »Wirklich wahnsinnig leid. Trink lieber noch einen großen Whisky pur, bevor ich es dir erzähle.«
    Diesen Rat befolgte Thomas.
    »Dein Robert E. Marlock ist verschwunden. Ich habe meine Freunde beim CIC alarmiert. Die haben sich mit den Engländern in Verbindung gesetzt. Sieht traurig aus, Thomas, sehr traurig. Deine kleine Bank gibt es auch nicht mehr. Noch einen Drink?«
    »Am besten stellst du gleich die Flasche vor mich hin. Ich komme mir langsam vor wie Hiob.« Thomas lächelte verzerrt. »Hiob mit Johnnie Walker. Seit wann gibt’s meine kleine Bank nicht mehr?«
    »Seit 1942.« Westenhoff zog ein Blatt Papier aus der Tasche. »Genau: seit dem 14. August 1942. Da stellte Marlock die Zahlungen ein. Wechsel platzten. Kunden wollten ihre Konten abheben. Marlock verschwand an diesem Tag vom Erdboden, bis heute. Soweit meine Freunde vom CIC . Die möchten dich übrigens gerne kennenlernen.«
    »Aber ich sie nicht.«
    Thomas seufzte. Er sah in den blühenden Garten hinaus, dessen Bäume und Sträucher im Dämmerlicht des herabsinkenden Abends mehr und mehr ihre Konturen verloren und zu rauchigen Schatten verschwammen. Er drehte sein Glas hin und her. Endlich sagte er: »Also werde ich hierbleiben. Ich habe genug Geld in Frankreich verdient. Ich werde arbeiten. Aber nie mehr, hörst du, Kurt, nie mehr für einen Geheimdienst. Nie mehr in meinem Leben!«
    Und damit sollte er sich irren – ebenso wie Kurt Westenhoff sich irrte, wenn er annahm, daß Thomas Lieven seinem verbrecherischen Kompagnon Robert E. Marlock nie mehr begegnen würde …
    12
    An einem schönen Tag im Juli 1946 schritt ein Herr in Sporthemd und Sporthosen über den englischen Rasen einer komfortablen Villa in Grünwald, am Stadtrand von München. Der Herr sah blaß und resigniert aus. An seiner Seite schritt, in derselben leichten Kleidung, ein muskulöser, zufrieden scheinender Riese, dem das rote Bürstenhaar wild vom Kopf abstand.
    »Hübsches Häuschen

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