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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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rund 5000 Landsleute in Frankreich kümmern, sie zur Heimkehr animieren. Das taten sie aber nur selten. Am liebsten waren sie bei Zizi. Und anderswo …
    »Stell dir das vor, nicht mal um die Schnapszuteilung kümmern sie sich«, sagte Zizi zu Thomas.
    »Um was für eine Schnapszuteilung?« fragte er und erfuhr, um was für eine.
    Zizi hatte weitererzählt. Aber Thomas hatte nicht mehr zugehört. Ein Plan war in seinem Gehirn entstanden, ein kleiner, guter Plan. Nun, nachdem Bastian und Kutusow in Paris eingetroffen waren, setzte er ihn in die Tat um …
    Mit gefälschten Ausweisen hinlänglich als Sowjetbeamter legitimiert, nahm Kommissar Kutusow die nachgelieferte Alkoholzuteilung entgegen. Nicht weniger als 3000 Hektoliter rollten auf Lastautos zu einer unheimlichen, zum teil eingestürzten Brauerei in der Nähe des Flughafens Orly.
    Die hatte Thomas entdeckt, während er auf Bastian wartete. Sie gehörte einem Kollaborateur, der geflohen war. Im Februar 1946 – das muß man bei dieser Geschichte immer wieder bekennen – ging es in den meisten europäischen Ländern noch sehr drunter und drüber. Auch in Frankreich!
    Nun nahmen acht Herren in jener Fabrik die Arbeit auf. Die Produktion lief Tag und Nacht. Die Herren stellten unter Leitung von Monsieur Hausér den bekannten und mit Recht beliebten Anis-Schnaps »Pastis« her, und zwar nach folgendem Familienrezept, das Thomas einer schwarzen Dame in Zizis Haus verdankte:
    Man nehme auf einen Liter chemisch reinen neunzigprozentigen Alkohol
    8 Gramm Fenchelsamen
    12 Gramm Melissenblätter
    5 Gramm Sternchenanis
    2 Gramm Koriander
    5 Gramm Salbei
    8 Gramm grünen Anissamen.
    Man lasse all dies acht Tage lang im Dunkeln ziehen. Kurz vor dem Filtrieren füge man noch zehn Tropfen Anisessenz hinzu. Zuletzt verdünne man auf einen vierundvierzigprozentigen Alkoholgehalt …
    Den Alkohol bezahlte Kutusow mit dem Erlös der Goldstücke, die Bastian mitgebracht hatte. Die gefüllten Flaschen beklebten Bastians Freunde mit Etiketten, die Thomas in einer kleinen Druckerei herstellen ließ.
    Indessen die Großproduktion anlief, suchte Monsieur Hausér einen französischen Militärbeamten, einen Stabsintendanten, in dem Pariser Stadtteil Latour-Maubourg auf. Dieser Stadtteil war zur Gänze von Militär besetzt, eine kleine Stadt in der Stadt.
    Monsieur Hausér schlug dem Stabsintendanten Villard ein Schnapsgeschäft unter der Hand vor. »Ich habe Rohstoffe, ich kann ›Pastis‹ produzieren. Ich weiß, daß es in Ihrem Offizierskasino kaum noch Schnaps gibt. Meine Ware ist preiswert.«
    »Preiswert?«
    Nun, für jene wilde, alkoholarme Zeit gewiß! Heute würde man Thomas Lievens alias Monsieur Hausérs Forderung ein wenig übertrieben empfinden. Er verlangte, umgerechnet zum Kaufwert unserer heutigen Währung, für eine Flasche »Pastis« immerhin 60 Mark!
    Der Stabsintendant griff zu, als wäre es das Geschäft seines Lebens. Und das war es auf der anderen Seite ja auch wiederum, wenn man bedenkt, daß damals eine Flasche »Pastis« auf dem schwarzen Markt umgerechnet an die 100 Mark kostete.
    Das Geschäft blühte!
    Vor allem wickelte es sich in Windeseile ab! Nicht nur sein Offizierskasino versorgte der Stabsintendant mit »Hausér-Pastis«, nein, er brachte die frohe Kunde auch seinen Freunden, und so fuhren schon bald Armeelastwagen mit »Hausér-Pastis« zu allen Offizierskasinos des Landes.
    In der Tat kann man sagen: Thomas Lieven versorgte die französische Armee. Und die französische Armee bezahlte prompt. Und alles ging gut bis zum 7. Mai 1946. Da gab es eine kleine Panne …
    Am 7. Mai 1946, gegen 19 Uhr, erschien der stämmige Chef der sowjetischen Delegation, Herr Andrejew S. Schenkow, im Appartement des falschen Kommissars Kutusow im »Hôtel Crillon« und forderte ihn, sehr rot im Gesicht, auf, eine Erklärung abzugeben. Herr Schenkow hatte nämlich wenige Tage zuvor beschlossen, seine Pflichten denn doch ein wenig ernster zu nehmen. So wollte er auch seine 5000 Landsleute mit Alkohol versorgen. Aber vom Rationierungs-Ministerium mußte er erfahren, daß der Alkohol längst von einem Kommissar Kutusow, wohnhaft »Hôtel Crillon«, abgeholt worden sei.
    »Ich verlange eine Erklärung!« schrie Schenkow nun in russisch akzentuiertem Französisch. »Wer sind Sie, Herr? Ich kenne Sie nicht! Habe Sie nie gesehen! Ich lasse Sie verhaften. Ich …«
    »Maul halten!« brüllte Kutusow ihn an, aber in lupenrein russischen Urlauten. Und dann sprach er eine

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