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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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die andere in einem ein wenig abgetragenen weißen Kleid, auf das bizarre Blumen gemalt waren.
    Die Dame in der französischen Uniform wurde Mademoiselle Daniella genannt. Thomas kannte sie schon – der Stimme nach. Daniella pflegte in der »Pariser Stunde« von »Radio München« die neuesten französischen Chansons vorzutragen – mit vibrierender Schlafzimmerstimme. Die charmante Person war unbestrittener Mittelpunkt der Party.
    Ihre deutsche Begleiterin stand völlig in ihrem Schatten. Christine Troll hieß das Mädchen mit dem langen, schwarzen Haar, den langbewimperten schwarzen Augen und dem großen Mund. Sie war Sekretärin im »Art Collecting Point«.
    Von dieser Institution berichtete die Französin die amüsantesten Episoden. Die Damen und Herren der amerikanischen »Kunstwerke-Sammelstelle« amtierten auf dem Königsplatz, im kleineren der beiden sogenannten »Führerbauten«. Ihre Aufgabe war es, all jene Kunstwerke aufzustöbern und sicherzustellen, die unter dem Naziregime in den besetzten Gebieten, aber auch in Deutschland den Besitzer gewechselt hatten durch Beschlagnahme, Verlagerung oder Raub.
    »Sichergestellt«, so berichtete Mademoiselle Daniella, hatten die Nazis in Paris die berühmtesten Sammlungen von Rothschild, Goldschmidt und Schloß. Aber wo waren all diese Schätze hingekommen?
    Allein an Gemälden hatten die Nazis 14 000 Werke »verlagert« – aber wohin? Im Kloster Dietramszell, im Kloster Ettal, in den Salinen von Alt-Aussee förderten die Kunst-Detektive Meisterwerke zutage … wenig, wenig, verglichen mit dem, was verschwunden war.
    Nach dem Einmarsch hatten amerikanische Truppen den Führerbau 1 den Deutschen übergeben. »Nehmt das Zeug, es hat ja doch nur Hitler gehört« – so hatten ein paar flinke Münchner die Sieger verstanden. Sie »übernahmen« in der Tat, was sie fanden …
    Manche dieser Gemälde, so erzählte Mademoiselle Daniella, wurden später wiedergefunden, als der »Collecting Point« in der Umgebung des Königsplatzes – mit Unterstützung der Military Police – eine Razzia in über tausend Privatwohnungen vornahm. Dabei fand man herrlichste, unschätzbare Meisterwerke wieder, als Matratzen-Unterlagen oder Fensterverschalungen.
    Natürlich hatten auch die Amerikaner geplündert. Mademoiselle Daniella berichtete vom Erlebnis eines Kunsthändlers in der Maximilianstraße. Bei dem war am Tage nach der Eroberung Münchens ein Sherman-Panzer vorgefahren. Die Panzerleute holten den Kunsthändler auf die Straße und zeigten ihm ein Bild, das sie vorne an den Tank gebunden hatten. Dem Experten erstarrte das Blut in den Adern. Was da auf den schmutzigen, öligen Panzerplatten hing, war nichts anderes als ein berühmtes, in allen Kunstbänden vorzufindendes Rembrandt-Gemälde, das Porträt des Rabbiners von Amsterdam, und zwar das
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    Der Kunsthändler und die Soldaten wurden nicht einig. So fuhren die Sieger mit ihrem Schatz kettenrasselnd davon. Wohin? Das wußte niemand. Der Rembrandt ist nie wieder aufgetaucht …
    Solcherlei Erzählungen ließen Gastgeber und Gäste fröhlich werden. Man trank Gin und Juice. Thomas ging in die Küche, um nach Bastian, dem Serviermädchen und dem Rehrücken zu sehen. Er fand alle drei wohlauf. Die Exnachrichtenhelferin saß auf Bastians Knien. Äußerlich war sie sehr rot. Innerlich war sie wohl immer noch braun. Thomas stach in den Rehrücken und fand, daß es sich bei diesem umgekehrt verhielt. Er gab dem balzenden Bastian die entsprechenden Anweisungen und kehrte in den Salon zurück.
    Hier erzählte Mademoiselle Daniella noch immer. Thomas setzte sich neben die bescheidene, schöne Christine Troll und hörte zu. Er fühlte, wie er einen Schwips bekam. Auch die Augen der hübschen, dunklen Christine glänzten verdächtig. Er sagte zu ihr: »Es gibt gleich Essen!«
    »Gott sei Dank, ich bin schon tipsy«, bekannte sie mit tiefer, heiserer Stimme. (Wo ich tiefe, heisere Stimmen so liebe, dachte Thomas. Wie alt ist die Kleine wohl? Höchstens fünfundzwanzig. Hm. Süßes Mädchen …)
    Auch beim Essen unterhielt Mademoiselle Daniella ihre Tischgenossen weiter mit ihren Stories.
    Thomas war verstimmt. Gerade mit dem Parmesan-Pudding habe ich mir so viel Mühe gegeben, dachte er. Und kein Mensch achtet darauf, kein Mensch lobt ihn.
    Das hatte er gerade gedacht, da sagte Christine, die neben ihm saß, leise: »Hinreißend, dieser Pudding. So etwas Gutes habe ich noch nie gegessen!«
    Thomas blühte auf. Ach, was

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