Es muß nicht immer Kaviar sein
Office‹?«
»Das ist ein gewisser Captain Hornblow.«
»Befreundet mit Captain Wallace?«
»Ja, sehr.«
»Aha«, sagte Thomas Lieven.
Die kleine Stadt war überfüllt mit Soldaten, Flüchtlingen und »Displaced Persons«. Es gab zuwenig Wohnraum; Gasthöfe und Hotels waren bis auf den letzten Platz besetzt.
Thomas und Bastian fanden zwei ruhige Zimmer bei einem Bauern in einem Dorf vor der Stadt. Hier mieteten sie sich unter ihren falschen Namen am Abend des 20. Februar 1947 ein, und hier blieben sie dann drei Monate. Das war eine lange Zeit, und die beiden waren alles andere als müßig.
Zuerst suchten sie ein paar Tage und ein paar Nächte lang das »Bristol« auf. Hier herrschte Hochbetrieb, wann man auch kam. Es wurde getanzt und getrunken, geflirtet und geschoben, geflüstert, gehandelt, telefoniert. Leichte Mädchen in Scharen fand man im »Bristol«, Soldaten, die ihre Löhnung loswurden, zwielichtige Polen, unheimliche Tschechen, ein paar ungarische Aristokraten, ein paar Wlassow-Russen und natürlich auch Deutsche.
Und immer, Tag und Nacht, konnte man die »Schwarze Lucie« sehen, geschminkt, dekolletiert und doch immer aufs Geschäft achtend. Und fast immer am Abend tauchte Captain Wallace auf – schmal, schlank, groß und blond. Mit einem Schmiß auf der linken Wange …
Nachdem Thomas und Bastian die Zustände in der kleinen Stadt eine Woche lang beobachtet hatten, hielten sie in einem eingeschneiten Landgasthof Kriegsrat ab. Thomas sagte: »Hier gibt’s Fräulein, hier gibt’s Soldaten, hier gibt’s DP s, mein Alter. Aber vor allem gibt’s hier eines:
Nazis!
Hergeflüchtete und bodenständige, das weiß ich jetzt. Die Amis scheinen es nicht zu wissen. Aber wir zwei, du und ich, wir dürfen es
niemals
vergessen! Unser Ziel lautet: Uran
und
die Konstruktionspläne.«
»Wenn das Zeug noch hier ist!«
»Aller Wahrscheinlichkeit ist es noch hier. Und ich glaube, ich habe eine
erstklassige
Methode, um das festzustellen.«
»Na, schieß mal los«, sagte Bastian.
Thomas schoß los. Sein Plan war ebenso einfach wie genial. Am 28. Februar entwickelte Thomas ihn zum erstenmal. Am 19. April befanden sich in seinem Besitz:
28 Würfel aus Uran 238, jeweils 5 Zentimeter Kantenlänge, 2,2 Kilo schwer, ohne Ausnahme gekennzeichnet mit dem Prägestempel des »Kaiser-Wilhelm-Instituts« in Berlin; ein Exemplar des geheimen Zielgeräts MKO und genaue Konstruktionspläne dieses geheimen Zielgeräts aus dem Dritten Reich, das nur in wenigen Mustern hergestellt und nicht mehr eingesetzt worden war. Es handelte sich um eine Konstruktion für Jagdflugzeuge, die es ermöglichte, den Gegner präzis in dem Moment zu treffen, da er im Fadenkreuz auftauchte, ohne daß der Schütze die übliche Vorhalteberechnung anzustellen brauchte … Wie hat Thomas Lieven das geschafft?
Wie hat dieser angebliche Peter Scheuner das geschafft, fragten sich Mitte April 1947 mit Recht französische, amerikanische, englische und andere Agenten, die sich in dieser Zeit im Süden Deutschlands in Rudeln tummelten und, gleich Thomas Lieven, alias Peter Scheuner, versucht hatten, die verschwundenen Zielgeräte und deren Konstruktionspläne aufzustöbern.
Wir haben auf den letzten Zeilen viele Wochen hurtig übersprungen. Eigentlich schreiben wir noch den 28. Februar. Und darum wollen wir den Trick Thomas Lievens noch eine
ganz
kleine Weile für uns behalten und in kurzen Worten berichten, was sich in diesen drei Monaten rund um die geheimnisvolle »Schwarze Lucie« ereignete. Und rund um Thomas Lieven.
5
In den drei Monaten, zwischen Winter- und Frühlingsanfang, nahmen die Rauschgiftoperationen der »Schwarzen Lucie« und ihres amerikanischen Geliebten ungeheuerliche Ausmaße an. Sie zierten sich, spielten Aufkäufer gegen Aufkäufer aus und trieben die Preise in die Höhe. Wußte die »Schwarze Lucie«, daß sie mit ihrem Leben spielte?
Schriftsteller Lippert saß weiter im Gefängnis in München. Sosehr Thomas sich bemühte, ihm zu helfen: er fand vorerst keine Möglichkeit dazu. Ein Ring des Schweigens, eine Verschwörung umgab den unglücklichen Lippert, der es gewagt hatte, sich der »Schwarzen Lucie« zu widersetzen.
»Geduld«, sagte Thomas zu der armen, wehr- und hilflosen Elsa Lippert. »Haben Sie Geduld. Hier geschieht Unrecht. Das Unrecht währt niemals ewig. Manchmal währt es lange – aber ewig
nie
. Es kommt der Tag, da werden wir Ihrem armen Mann helfen können.«
Sosehr jeder Versuch fehlschlug, den
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