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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Dakar. Thomas dachte: Irgendwann in naher Zukunft wird natürlich auch er sehr enttäuscht von mir sein. Der arme Kerl! Ich habe ihn so gern. Aber Hand aufs Herz, was hätte ich tun sollen? Sicherlich wäre er in meiner Lage auf dieselbe Idee gekommen. Josephine ist eine Frau. Sie wird mich verstehen …
    5
    »Mesdames, Messieurs, faites vos jeux!«
    Der Croupier warf die kleine weiße Kugel mit einer eleganten Bewegung in den langsam kreisenden Kessel. In verwirrender Gegenbewegung lief sie los.
    Wie hypnotisiert verfolgte die Dame im roten Abendkleid ihren Lauf. Sie saß direkt neben dem Croupier. Ihre Hände zitterten über ein paar kleinen Türmen von Jetons. Sie war sehr bleich und sehr schön, vielleicht dreißig Jahre alt. Das schwarze Haar trug sie in der Mitte gescheitelt, es lag am Kopf an wie eine Kappe. Die Dame besaß einen aufreizend gewölbten Mund und leuchtende schwarze Augen. Sie sah beherrscht und aristokratisch aus. Und war völlig dem Roulett verfallen.
    Thomas Lieven beobachtete sie seit einer Stunde. Er saß an der glitzernden Bar des riesigen Spielsaals und trank Whisky. Das Licht der Lüster fiel auf die kostbaren Bilder an den Wänden, auf weiß-goldene Riesenspiegel, dicke Teppiche, die Diener in Escarpins, die Herren im Smoking, die nackten Schultern der Frauen, das kreisende Rad, die laufende Kugel …
    Klick!
    »Zero!« rief der Croupier neben der Dame in Rot. Sie hatte verloren. Sie verlor seit einer Stunde. Thomas beobachtete sie dabei. Die Dame verlor nicht nur ein Vermögen, sie verlor langsam auch ihre Haltung. Mit unsicheren Fingern zündete sie eine Zigarette an. Ihre Lider flatterten. Sie öffnete die golddurchwirkte Abendtasche. Holte Scheine hervor. Warf sie dem Croupier hin. Der wechselte sie in Spielmarken. Die Dame in Rot setzte wieder.
    Es wurde an vielen Tischen gespielt, auch Chemin-de-fer. Es gab viele schöne Frauen im Saal. Thomas Lieven sah nur eine: die Dame in Rot. Diese Mischung von Haltung und Erregtheit, guten Manieren und Spielleidenschaft regte ihn auf – hatte ihn schon immer aufgeregt.
    »27, rouge, impair et passe!« rief der Croupier.
    Wieder hatte die Dame in Rot verloren. Thomas sah, daß der Mixer den Kopf schüttelte.
    Auch der Mixer sah der Dame zu. »So etwas von Pech«, sagte er mitleidig.
    »Wer ist das?«
    »Verrückte Spielerin. Was glauben Sie, was die schon verloren hat!«
    »Wie heißt sie?«
    »Estrella Rodrigues.«
    »Verheiratet?«
    »Verwitwet. Der Mann war Anwalt. Wir nennen sie Konsulin.«
    »Warum?«
    »Na, weil sie eine ist. Konsulin von irgend so einer Bananenrepublik.«
    »Aha.«
    »5, rouge, impair et manque!«
    Wieder hatte die Konsulin verloren. Nur noch sieben einsame Jetons lagen vor ihr.
    Thomas hörte sich plötzlich leise angesprochen: »Monsieur Leblanc?«
    Er drehte sich langsam um. Ein kleiner, dicker Mann stand vor ihm. Der Kleine hatte ein rotes Gesicht, schwitzte und war sehr aufgeregt. Er sprach französisch: »Sie sind doch Monsieur Leblanc, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Folgen Sie mir auf die Toilette.«
    »Warum?«
    »Weil ich Ihnen etwas zu sagen habe.«
    Verflucht, meine Listen … Einer von den Geheimdienstbullen hat Lunte gerochen. Aber welcher? Lovejoy oder Loos? Thomas schüttelte den Kopf: »Sagen Sie es hier.«
    Der Kleine flüsterte Thomas ins Ohr: »Major Débras hat Schwierigkeiten in Madrid. Sein Paß wurde ihm abgenommen. Er kann das Land nicht verlassen. Er bittet Sie, ihm schleunigst einen falschen Paß zukommen zu lassen.«
    »Was für einen Paß?«
    »Sie hatten doch in Paris einen Haufen!«
    »Die habe ich alle verschenkt!«
    Der Kleine schien das nicht zu hören. Er raunte eilig: »Ich habe gerade ein Kuvert in Ihre Tasche gesteckt. In dem Kuvert befinden sich Fotos von Débras und meine Adresse in Lissabon. Dahin bringen Sie den Paß.«
    »Erst mal einen haben!«
    Der Kleine sah sich nervös um. »Ich muß hier weg … Tun Sie, was Sie können. Rufen Sie mich an.« Er eilte weg.
    »Hören Sie doch –« rief Thomas. Der Kleine war verschwunden. Herrgott, man hat aber doch nur Ärger!
    Was mache ich jetzt? So ein netter Kerl, dieser Débras! Ich muß ihn aus Gründen meiner Weltanschauung behumpsen, aber im Stich lassen – das kommt nicht in Frage! Wie helfe ich Débras aus Spanien heraus? Woher bekomme ich in der Geschwindigkeit einen falschen Paß für ihn?
    Thomas Lievens Blick wanderte zu der Dame in Rot. Sie erhob sich gerade, verstört und bleich. Sie hatte anscheinend alles verloren.

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