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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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alles gutgegangen – dank Chantal …
    Nun kam die letzte Grenze, dann waren sie in Frankreich. Die Riemen des Rucksacks schnitten Thomas Lieven in die Schultern, jeder Knochen seines Körpers tat ihm weh. Er war müde zum Umfallen. Leicht und wirr wanderten seine Gedanken, während er Chantal folgte.
    Der arme Lazarus Alcoba … Wer hat ihn erschossen? Wer hat ihn erschießen lassen? Die Engländer? Die Deutschen? Wird man den Mörder jemals finden? Wird ein neuer Mörder mich finden? Wie lange habe ich noch zu leben? Ich, der ich hier durch einen dämmrigen Wald schleiche wie ein Schmuggler, wie ein Verbrecher … Wahnsinn, Wahnsinn, das alles, ein Alptraum, unwirklich und grotesk, ein Fiebertraum und doch blutige Wahrheit …
    Der Weg wurde jetzt flacher, der Wald trat zurück, sie erreichten eine Lichtung. Hier stand eine verwitterte Futterhütte. Hinter der offenbar unermüdbaren Chantal her schleppte Thomas sich eben an dem großen, überdachten Heustadel vorüber, als, schnell nacheinander, in nächster Nähe drei Schüsse fielen.
    Blitzschnell fuhr Chantal herum, blitzschnell war sie neben Thomas. Ihr Atem traf ihm im Gesicht: »Hier rein!«
    Sie riß ihn mit sich unter das Dach der Hütte, und sie fielen in das Heu. Keuchend sahen sie sich an.
    Wieder donnerte ein Schuß, und noch einer. Dann hörten sie, vom Wind hereingeweht, eine Männerstimme, die aber nicht zu verstehen war.
    »Ruhig«, flüsterte Chantal. »Ganz ruhig liegenbleiben. Das können Grenzer sein.«
    Es kann auch jemand anderer sein, dachte Thomas bitter. Und es wird wohl auch jemand anderer sein! Die Herren in Lissabon werden nicht sehr lange gebraucht haben, um festzustellen, daß ihnen ein bedauerlicher Irrtum unterlaufen ist. Ein gutzumachender Irrtum …
    Thomas fühlte Chantal neben sich. Sie lag ganz ruhig, aber Thomas spürte die Spannung, die Anstrengung, mit der sie sich zur Ruhe zwang.
    In diesem Moment war sein Entschluß gefaßt. Er durfte nicht noch ein Menschenleben gefährden! Der Tod des armen Lazarus, das wußte er, würde ihn belasten bis zum eigenen Ende.
    Schluß jetzt, dachte Thomas Lieven. Ich spiele nicht mehr mit. Besser ein Ende mit Schrecken als dieser Schrecken ohne Ende. Sucht mich nicht länger, ihr mörderischen Idioten. Verfolgt mich nicht länger, ihr idiotischen Mörder. Ich ergebe mich, aber laßt Unschuldige aus diesem dreckigen Spiel …
    Schnell streifte er die Riemen des Rucksacks ab und erhob sich. Chantal fuhr hoch. In ihrem weißen Gesicht brannten die Augen, sie zischte: »Bleib liegen, Wahnsinniger …« Mit aller Kraft wollte sie ihn niederziehen.
    »Tut mir leid, Chantal«, murmelte Thomas und wendete einen Jiu-Jitsu-Griff an, von dem er wußte, daß Chantal durch ihn für einige Sekunden die Besinnung verlieren würde. Mit einem Ächzen sank die junge Frau zurück.
    Thomas trat ins Freie.
     
    Da kamen sie, zwei Mann, Gewehre in den Händen. Da kamen sie über die Lichtung auf ihn zu, über totes Gras, durch Nebelschwaden, da kamen sie.
    Er ging ihnen entgegen. Mit einem unsinnigen Gefühl des Triumphs dachte er: Wenigstens könnt ihr mich nicht »auf der Flucht« in den Rücken schießen.
    Jetzt hatten die beiden ihn erblickt, sie hoben die Gewehre. Noch einen Schritt machte Thomas. Und noch einen.
    Die Männer ließen ihre Gewehre wieder sinken. Sie kamen rasch näher. Thomas hatte sie noch nie im Leben gesehen. Sie trugen beide Kordsamthosen, Hüte, Windjacken und Bergschuhe wie er. Sie waren beide untersetzt und eher klein. Der eine hatte einen Schnurrbart, der andere trug eine Brille. Nun waren sie herangekommen. Nun blieben sie stehen. Der mit der Brille zog den Hut und sagte höflich auf spanisch: »Guten Morgen.«
    »Haben Sie ihn vielleicht gesehen?« fragte der mit dem Schnurrbart.
    Um Thomas begann sich alles zu drehen. Männer, Lichtung, Wiese, Bäume, alles. Er fragte tonlos: »Wen?«
    »Den Hirsch«, sagte der mit der Brille.
    »Ich habe ihn getroffen«, sagte der mit dem Schnurrbart. »Ich weiß es genau, daß ich ihn getroffen habe. Ich sah ihn zusammenbrechen. Dann schleppte er sich fort.«
    »Er muß hier in der Nähe sein«, sagte sein Freund.
    »Ich habe nichts gesehen«, sagte Thomas in seinem schlechten Spanisch.
    »Oh, Ausländer …! Vermutlich auf der Flucht von drüben«, sagte der mit der Brille.
    Thomas konnte nur nicken. Die beiden Spanier wechselten einen Blick. »Wir werden vergessen, daß wir Sie gesehen haben«, sagte der mit dem Schnurrbart. »Guten

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