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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Fresse?«
    »Chantal«, sagte er und fühlte, wie eine ungeheure Müdigkeit ihn überflutete, »Chantal, warum hast du das getan?«
    »Die Behörden hier haben mich am Wickel – sehr böse Sache, die noch mit Pierre zusammenhängt. Schwerer Betrug und so … Da taucht plötzlich dieser Oberst, dieser Siméon, auf und sagt: ›Wenn Sie uns Leblanc bringen, kann man die Sache regeln!‹ Was hättest du an meiner Stelle getan, Jean? Ich kannte dich doch nicht!«
    Thomas dachte: So ist das Leben. So geht das weiter, immer weiter. Einer jagt den andern. Einer verrät den andern. Einer tötet den andern, um selber nicht getötet zu werden.
    Er sagte leise: »Was will Siméon von mir?«
    »Er hat seine Anweisungen … Du hast die Leute mit irgendwelchen Listen hereingelegt – stimmt das?«
    »Ja, das stimmt«, sagte er.
    Sie stand auf und trat vor ihn und legte ihm eine Hand auf die Schulter: »Ich möchte weinen. Aber es kommen keine Tränen. Schlag mich. Bring mich um. Tu etwas, Jean! Sieh mich nicht so an.«
    Thomas saß ganz still und dachte nach. Dann fragte er leise: »Welches Lied sollst du spielen?«
    »›J’ai deux amours‹«, antwortete sie.
    Plötzlich erhellte ein seltsames Lächeln sein bleiches Gesicht. – Er stand auf. Chantal wich vor ihm zurück. Aber er berührte sie nicht. Er ging in das Nebenzimmer. Hier stand ein Grammophon. Er lächelte wiederum, als er die Aufschrift auf der Platte sah. Er schaltete den Apparat ein. Er setzte die Nadel in die erste Rille. Musik erklang. Und Josephine Bakers Stimme sang »J’ai deux amours«, das Lied von den zwei Lieben …
    Nun kamen draußen Schritte näher. Noch näher. Ganz nahe. Chantal stand dicht vor Thomas. Fauchend drang ihr Atem durch die geöffneten Lippen, das Raubtiergebiß glitzerte feucht. Hastig hob und senkte sich die Brust unter der dünnen grünen Seide des enganliegenden chinesischen Kleides.
    Sie zischte: »Hau ab, noch ist Zeit … Unterm Schlafzimmerfenster gibt’s ein flaches Dach …«
    Thomas schüttelte lächelnd den Kopf. Chantal wurde wütend.
    »Idiot! Die machen ein Sieb aus dir! In zehn Minuten bist du eine Wasserleiche im Alten Hafen!«
    »Es wäre aufmerksam von dir gewesen, wenn du dir das etwas früher überlegt hättest, mein Herz«, sagte Thomas freundlich.
    Sie holte wild aus, als wollte sie ihn schlagen, und keuchte: »Quatsch doch nicht so dämlich, ausgerechnet jetzt …«
    Aber gleich darauf begann sie zu schluchzen.
    Es klopfte.
    »Mach auf«, sagte er hart. Chantal preßte eine Faust an den Mund und rührte sich nicht. Es klopfte wieder, diesmal stürmischer. Josephine Baker sang immer noch.
    Eine Männerstimme, die Thomas kannte, rief: »Öffnen Sie, oder wir schießen das Türschloß heraus!«
    »Guter, alter Siméon«, murmelte Thomas, »immer noch der gleiche Hitzkopf!« Er ließ die bebende Chantal stehen und ging ins Vorzimmer.
    Jetzt erzitterte die Wohnungstür unter Faustschlägen. Eine Sicherheitskette war vorgelegt. Thomas drückte die Klinke herab. Die Tür flog auf, so weit die Stahlkette es zuließ. Ein Schuh schob sich in den Spalt, desgleichen eine Pistole.
    Thomas trat auf den Schuh, so fest er konnte, und stieß den Lauf der Waffe zurück. »Wenn ich Sie bitten dürfte, diese beiden Gegenstände noch einmal zurückzunehmen, Herr Oberst«, sprach er dazu.
    »Das könnte Ihnen so passen!« schrie Siméon von jenseits der Tür. »Wenn Sie nicht sofort öffnen, knallt es!«
    »Dann wird es wohl knallen müssen«, meine Thomas sanft. »Denn solange Sie Hand und Fuß in der Tür haben, kann ich die Sicherheitskette nicht entfernen.«
    Nach einigem Zögern entsprach der Oberst Thomas Lievens Begehren. Schuh und Waffe verschwanden. Thomas öffnete. Im nächsten Moment hatte er den Pistolenlauf im Magen, und der heroische Jules Siméon stand dicht vor ihm, die Schnurrbarthaare gesträubt, den edlen Kopf mit der Römernase zurückgeworfen.
    Thomas dachte: Er ist auch in den letzten Monaten nicht zu Geld gekommen, der Arme; er trägt immer noch diesen alten, abgeschabten Trenchcoat.
    Thomas sagte: »Welche Freude, Herr Oberst. Wie geht es Ihnen? Und was macht unsere schöne Mimi?«
    Beinahe lippenlos vor Verachtung sprach der Oberst: »Ihr Spiel ist aus, Sie schmutziger Verräter!«
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir den Pistolenlauf woanders hinzudrücken. Beispielsweise an die Brust? Wissen Sie, ich habe soeben gegessen.«
    »In einer halben Stunde werden Sie keine Verdauungssorgen mehr haben,

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