Es muß nicht immer Kaviar sein
Thomas genommen, was er brauchte, und er brauchte eigentlich alles, um sich sauber anzuziehen, denn er selbst besaß nichts mehr.
Menu • 25. November 1940
Mit einer Lammkeule löste Thomas Lieven
eine Frauenzunge …
Moules à la Marinière
Gebratene Lammkeule mit
Haricots Verts und Pommes Dauphine
Früchte in Caramel
Moules Marinière:
Man nehme frische Miesmuscheln, wasche und bürste sie sehr gründlich und gebe sie dann in einen Kessel in wenig kochende Flüssigkeit, halb Wasser, halb Weißwein. Man lasse sie mit geschlossenem Deckel unter öfterem Durchrütteln kochen, bis die Muscheln sich geöffnet haben, schütte sie dann auf ein Sieb und löse das Fleisch der geöffneten Muscheln aus den Schalen. – Man hat inzwischen aus Butter und Mehl eine weiße Sauce gemacht, die man mit dem durch ein frisches Sieb gegebenen Muschelsud aufgießt und sehr gut durchkochen läßt. Man gebe noch etwas Weißwein hinzu, würze mit Salz, Pfeffer und etwas Zitronensaft und ziehe die Sauce mit Eigelb ab. – Man gebe nur das Muschelfleisch und feingehackte Petersilie in die Sauce und lasse zusammen durchziehen, ohne daß es noch einmal zum Kochen kommt.
Gebratene Lammkeule mit Zutaten:
Man nehme eine schöne, junge Lammkeule, mache am Knochenansatz einen kleinen Einschnitt in das Fleisch und stecke eine Knoblauchzehe hinein. – Man begieße die Keule in der Pfanne mit reichlich brauner Butter, brate sie auf dem Herd auf allen Seiten gut an und salze und pfeffere sie erst danach. Man stelle sie dann in den Bratofen und brate sie bei guter Hitze unter fleißigem Begießen fertig.
Man nehme frische grüne Böhnchen, putze sie und koche sie in wenig Wasser weich. Verwendet man Konserven, so schütte man sie auf ein Sieb, lasse das Wasser gut ablaufen und übergieße sie dann mit kochendem Wasser. Dadurch verlieren sie jeglichen Büchsengeschmack. Man gebe die gut abgetropften »Haricots« in zerlassene Butter und lasse sie darin heiß werden. Man bestreue sie beim Anrichten mit etwas feinem Salz. Man drücke gekochte Salzkartoffeln durch den Quetscher, verarbeite sie mit ganzen Eiern zu einem feinen Teig, würze mit einer Spur von Muskat. Man forme daraus kleine Bällchen und backe sie in sehr heißem, steigendem Fett, bis sie sich aufplustern und eine schöne braune Farbe annehmen.
Früchte in Caramel:
Man nehme Streuzucker und lasse ihn in einer Kasserolle unter ständigem Rühren zerschmelzen und hellgelb werden. Man lösche mit Wasser ab und lasse den hellen Caramel gut durchkochen. – Man nehme geschälte gevierteilte Pfirsiche und Birnen sowie frische Weinbeeren und lasse sie in dem Caramel weich dünsten. Man fülle das erkaltete Kompott in Schalengläser, verziere es mit Schlagsahnetupfen und bestreue es mit gehackten Mandeln.
Als er mehr von Pierre wissen wollte, hatte Chantal unwillig gesagt: »Frag nicht soviel. Eine Liebe von mir. Wir sind auseinander. Seit einem Jahr. Er kommt nicht mehr wieder …«
Überhaupt – Chantal hatte sich in den vergangenen Stunden sehr kühl verhalten. So, als ob es jene wilde Stunde an der Grenze nie gegeben hätte. Auch jetzt, während des Abendessens, saß sie schweigsam da, von schweren Gedanken überschattet. Während sie die Muscheln verzehrte, sah sie Thomas immer wieder an. Bei der schönen, jungen Lammkeule begann ihr linker Nasenflügel wieder zu zittern. Als Thomas ihr die Früchte in Caramel servierte, schlug eine Turmuhr in der Nähe zehnmal.
Chantal vergrub plötzlich das Gesicht in beiden Händen und begann vor sich hin zu murmeln.
»Was ist los, chérie?« erkundigte sich Thomas, in seinen Früchten rührend.
Sie sah auf. Der Nasenflügel zitterte noch immer, aber sonst war das schöne Gesicht zu einer Maske erstarrt. Sie sprach jetzt ganz ruhig: »Zehn Uhr.«
»Ja, und?«
»Jetzt stehen sie unten im Hausflur. Wenn ich das Grammophon anstelle und ›J’ai deux amours‹ spiele, werden sie heraufkommen.«
Thomas legte das Silberlöffelchen fort und forschte: »Wer wird heraufkommen?«
»Oberst Siméon und seine Leute.«
»Oberst Siméon?« wiederholte er schwach.
Nur ihr Nasenflügel zitterte. »Vom ›Deuxième Bureau‹, ja. Ich habe dich verraten, Jean. Ich bin das allergemeinste Stück Dreck von der Welt.« Dann war es eine Weile still im Raum.
Endlich sagte Thomas: »Möchtest du vielleicht noch einen Pfirsich?«
»Jean! Sei nicht so! Ich
ertrage
das nicht! Warum brüllst du nicht? Warum haust du mir nicht eine in die
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