Es muss nicht immer Mord sein
verlassen kannst«, erwiderte
ich.
Kapitel Zehn
Ich habe
eigentlich noch nie eine
Freundin wie Jools gehabt. Möglicherweise weil ich in Cambridge ein überwiegend
männlich dominiertes College besucht habe, waren all meine engsten Vertrauten
stets schwule Männer. Dann ist da natürlich Martin, und ich habe auch weibliche
Bekannte wie Stephanie, neben der ich im College ein Jahr lang gewohnt habe.
Ich halte mich nicht für eine dieser Frauen, die sich >Feministinnen<
nennen, damit sie bei einer Einladung zum Essen einen Vorwand haben, um mit den
Männern zu flirten, während ihre Geschlechtsgenossinnen in der Küche sind und
den Abwasch machen, aber aus irgendeinem Grund habe ich nie eine wirklich enge
Freundin gehabt, mit der ich Verhütungsmethoden oder Friseure vergleichen oder
ganze Mittagspausen damit zubringen konnte zu analysieren, warum die Männer
solche Schweine sind.
Die Arbeit an dem Katalog war beendet, aber
Jools hatte immer noch gelegentliche Fototermine in der City, und wann immer
sie in der Nähe war, schaute sie zum Training im Garten Eden vorbei und
rief mich an, um zu fragen, ob ich mit ihr essen gehen wollte.
»Hat er gesagt, er ruft an?« fragte sie.
»Ja. Das ist es ja gerade. Es wäre mir ja total
schnurz gewesen, wenn er überhaupt nichts gesagt hätte« — was genaugenommen
nicht stimmte — , »aber er hat ein mordsmäßiges Aufhebens daraus gemacht, sich
meine Nummer aufzuschreiben, und das ist nun schon drei Tage her. Vier, wenn
man heute mitzählt.«
»Du kannst heute nicht mitzählen, weil der Abend
erst noch vor dir liegt.«
»Ja, aber heute abend geh’ ich aus.«
»Du hast doch ’nen Anrufbeantworter, oder?«
»Klar. Aber ich glaube, der funktioniert
vielleicht nicht richtig.« Wieso hatte ich eigentlich jedesmal meinen
Anrufbeantworter im Verdacht, just dann kaputtzugehen, wenn ich im Begriff war,
eine Beziehung mit einem Mann einzugehen?
»Hast du denn...?«
»Nein... Weißt du, ich habe gewissermaßen darauf
gewartet, daß er mich bittet«, erklärte ich.
Es war gegen Mitternacht, als wir die
Unfallstation verließen. Bei unserer Ankunft hatte ein Anschlag verkündet, es
sei mit einer vierstündigen Wartezeit zu rechnen, aber Dave war mit der
Nachtschwester befreundet, und nach nicht einmal einer Stunde wurde ich
untersucht, geröntgt und bekam den Arm in eine Schlinge gelegt. Er war nicht
wirklich gebrochen, aber verstaucht und böse abgeschürft. Wir standen eine
Weile vor dem Krankenhaus herum und waren uns beide nicht recht sicher, was wir
vorschlagen sollten. Dave war mit einem Mal ziemlich schweigsam und linkisch
und schien nicht geneigt, mich zu sich nach Hause einzuladen, obschon das der
naheliegende Schritt gewesen wäre. Ich fand mein Kleid nicht eben passend für die
letzte U-Bahn am Samstagabend. Ich schaute aus wie eine dieser betrunkenen
Yuppieziegen, die wir während der Ballsaison im Mai immer zur Frühstückszeit
durch Cambridge hatten laufen sehen. In ihrer Hochzeitsnacht zu Mutters Haus in
Pinner zurückzukehren, war einfach nicht drin. Die beiden flogen am nächsten
Morgen nach Neapel und wollten von dort aus weiter nach Capri. Mutter fand, daß
es Reg nichts schaden könne, sich zu Hause noch einmal ordentlich
auszuschlafen, um sich von den Aufregungen des Tages zu erholen.
Der Alkohol, das Tanzen, die Verletzung und —
häßliches Wort, aber wie soll ich es sonst beschreiben? — die wüste Knutscherei
begannen sich allesamt bemerkbar zu machen, und als ich ein freies Taxi die
Straße herunterkommen sah, traf ich eine spontane Entscheidung und winkte es
heran.
»Hast du ihn nicht gefragt, ob er mitkommen
will?« wollte Jools wissen.
»Nein, ich dachte, das würde ein bißchen
übereifrig aussehen. Außerdem wohnt er in Kenton, um Himmelswillen. Warum hat
er denn nicht mich eingeladen?« sagte ich ärgerlich.
»Vielleicht teilt er sich ja die Wohnung mit ein
paar anderen Typen. Du weißt doch, wie die Männer sind... Vielleicht wollte er
nicht, daß du seine Bude zu Gesicht bekommst, bevor er die Überreste von ein
paar Tagen indischem Fastfood aus dem Wohnzimmer geräumt hat. Du weißt, was ich
meine?«
»Hmmm.« Es schien mir ziemlich unwahrscheinlich,
aber wenn man in jemanden verknallt ist, gibt man sich mit jeder noch so
abseitigen Entschuldigung dafür zufrieden, warum von ihm nichts zurückkommt.
Ich begann, mir Aluschalen voller eingetrocknetem Hühnercurry vorzustellen und
fühlte mich seltsam beruhigt.
»Ich
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