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Es muss nicht immer Mord sein

Es muss nicht immer Mord sein

Titel: Es muss nicht immer Mord sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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dann die hier?« fragte er und
zeigte mit dem Finger darauf.
    »Den lateinischen Namen weiß ich nicht«,
erwiderte ich, »aber alle Welt nennt sie Königskerzen.«
    Aus irgendeinem Grund brachte mich das zum Erröten,
und ich war froh, daß der Garten inzwischen nahezu dunkel schien. Ich schaute
zurück zum Hotel. Jemand hatte rund um die Terrasse kleine bunte Glühbirnen
angeknipst. Die Musik war jetzt bloß noch ein Hintergrundgeräusch. Irgendwo in
unserer Nähe zirpte eine Grille.
    »Sollen wir umkehren?« fragte ich.
    »Ach, laß uns noch bis zum See gehen«, sagte
Dave.
    Ich weiß nicht, ob es vom Alkohol kam oder
davon, daß mittlerweile nur noch ein winziger Splitter von zunehmendem Mond
unseren Weg beleuchtete, aber keiner von uns beiden bemerkte das
Umfassungsmäuerchen und den dahinterliegenden Graben, bis wir hineintappten.
Ich verfing mich im Fallen mit dem Absatz im Saum meines Kleids und riß dabei
das steife Oberteil nach unten, wobei eine meiner Brüste herausrutschte. Ich
landete auf dem Ellbogen und schrie vor Schmerz. Dave war sofort an meiner
Seite und schätzte die Situation mit professioneller Gelassenheit ab. Ich
merkte, daß er sich in der Rolle des Krankenpflegers weit wohler fühlte als in
der des Hochzeitsgastes.
    Auf seine Anweisung hin blieb ich ganz ruhig
liegen, während er mir die Stiefel aufschnürte und auszog und nacheinander
beide Fußknöchel sanft drehte, um sich zu vergewissern, daß sie intakt waren.
Dann kraxelte er den Abhang hoch, um nach meinen Armen zu sehen.
    »Hast du dir den Kopf angeschlagen?« fragte er
und strich mir das Haar zurück, wobei er nach Beulen tastete.
    »Ich glaub’ nicht«, sagte ich schwach. »Was mir
wirklich wehtut, ist der Arm.«
    »O.k.«, sagte er. Er ergriff zunächst meinen
rechten Arm — der nicht schmerzte — , drehte das Handgelenk hin und her, hob
meine Hand in die Luft, führte sie hinter meinen Kopf und dann zurück an meine
Seite. Dann nahm er ganz sanft meinen linken Arm. Er kniete sich neben mich,
stützte den Ellbogen auf seinem Oberschenkel ab, zog nacheinander an jedem
einzelnen Finger und versuchte dann, das Handgelenk zu drehen.
    »Aua«, rief ich.
    »O.k., o.k.«, sagte er. »Ich glaube, der könnte
gebrochen sein.«
    »Oh, Scheiße«, sagte ich und brach in Tränen
aus.
    »Hey, nun wein’ nicht. Ich bin mir sicher, daß
es kein schlimmer Bruch ist. Ich glaube, es ist der Ellbogen, was heißt, daß er
von alleine heilen muß. Du wirst nicht mal einen Gips brauchen. Allenfalls muß
der Arm in die Schlinge.« Er zog das zu seiner Krawatte passende rosa Einstecktuch
aus der Brusttasche und tupfte mir die Augen ab.
    »Tut mir leid«, sagte ich.
    »Schon o.k.«, sagte er. »Ich bin das gewohnt,
weißt du.«
    Ich lächelte und zog die Nase hoch.
    »Fühlst du dich kräftig genug, um aufzustehen?
Ich ruf’ ein Taxi und bring dich in die Poliklinik, wenn du möchtest.«
    »Eigentlich finde ich es ausgesprochen schön,
bloß ganz ruhig hier zu liegen«, sagte ich. »Müssen wir denn sofort los? Die
werden allesamt ein fürchterliches Theater machen.«
    Er streckte sich neben mir aus, schaute in den
Sternenhimmel und warf mir gelegentlich besorgte Seitenblicke zu.
    Ich brauchte ein paar Sekunden, bis mir aufging,
daß ich hier auf einem Abhang lag, außer Sicht der Hochzeitsgesellschaft,
völlig zerrauft, ohne Schuhe und mit einer Brust im Freien, und neben mir ein
Mann, den ich zwar kaum kannte, aber wahnsinnig toll fand. Ich sah ihn an. Er
sah mich an. Ich weiß nicht, wer den ersten Schritt tat. Beide gleichzeitig, so
wie es sich anfühlte.
    Es hat mir nie sonderlichen Spaß gemacht, im
Gras mit jemandem zu schlafen, weil man da hinterher jedesmal einen Haufen
Hautabschürfungen zu haben scheint, aber mein wunderschönes Rohseidenkleid
wirkte wie eine Art Unterlegplane. Es war wahrscheinlich die beste Knutscherei,
die ich je erlebt hatte. Dave fing gerade an, mir die cremefarbenen halterlosen
Strümpfe von ihren Spitzensäumen her herunterzurollen, als ich ihn stoppte.
    »Nein«, sagte ich und gab mir große Mühe, damit
es auch ernstgemeint klang.
    »Warum?« sagte er und lächelte arrogant und
sexy.
    »Die werden uns sehen.«
    »Werden sie nicht. Es ist dunkel.«
    »Ich kann einfach nicht. Nicht auf der Hochzeit
meiner Mutter«, sagte ich und setzte mich auf.
    »O.k.«, sagte er. »Unter einer Bedingung.« Er
drückte mich zurück auf den Abhang. »Daß die Angelegenheit verschoben ist,
nicht abgesagt.«
    »Worauf du dich

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