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Es muss nicht immer Mord sein

Es muss nicht immer Mord sein

Titel: Es muss nicht immer Mord sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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rustikaler
amerikanischer Tünche zugelegt und importierte indische Baumwollstoffe als
Ersatz für die aufwendigen Draperien, die er so gern gehabt hatte), nahm ich
an, daß es ihm finanziell nicht gut ging.
    Und außerdem, dachte ich, mußte da ständig das
Gespenst HIV lauern, über das Dan so wortgewandt geschrieben hatte. Obschon wir
alle seit unserem ersten Jahr auf der Universität miteinander befreundet waren,
hatte ich nie gewußt — oder wissen wollen — , ob Donny und Dan einander treu
waren. Sie waren stets das bei weitem beständigste Paar gewesen, das ich
kannte, und ich nehme an, ich wollte einfach glauben, daß zwei Leute
einander vollkommen genügen konnten. Dennoch war es mehr als bloß mechanische
Höflichkeit, daß ich mich jedesmal nach ihrem Befinden erkundigte, wenn wir in
letzter Zeit miteinander sprachen, und gelegentlich erwischte ich mich dabei,
sie von Kopf bis Fuß zu mustern, um mich zu vergewissern, daß keiner von ihnen
dramatisch abgenommen hatte.
    »Ansonsten alles in Ordnung?« fragte ich.
    »Absolut«, sagte Dan. »Beide Bücher sind jetzt
nach Deutschland verkauft worden und — ausgerechnet — nach Japan. Du kennst
niemanden, der Japanisch spricht, oder?«
    »Doch, aber nicht gut genug zum Übersetzen«,
sagte ich.
    »Nein, das hab’ ich nicht gemeint. Es ist
bloß... ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie eine in Glasgow angesiedelte
schwule Liebesgeschichte in Tokio ankommt, du vielleicht? Ich wollte einfach
jemanden, der sie liest und mir versichert, daß meine Figuren nicht das
Geschlecht gewechselt haben oder so was.«
    »Aber du kannst doch auch keine anderen
Fremdsprachen, oder?« merkte ich an. »Wie willst du das dann je wissen?«
    »Ich glaube, ich bin schon beruhigt, wenn man
die Schrift lesen kann. Was mir Sorgen macht, sind einfach diese Zeichen und
daß das Buch von hinten anfängt.«
    Wir quasselten noch ein bißchen weiter, bis ich
aus meinem Büro schaute und bemerkte, wie Pat mich von der anderen Seite des
Raums her anstarrte. Sie sah rasch weg, als habe sie mich überhaupt nicht
beobachtet, konnte es sich aber nicht verkneifen, einen Blick auf die Uhren zu
werfen.
    Ganz unrecht hatte sie nicht. Es war vier Uhr,
und mir war es gelungen, den größten Teil des Tages praktisch mit Nichtstun zu
füllen. Nun schaltete ich meinen Computer ein und kritzelte schuldbewußt mit
einer Hand im Malprogramm herum. Das machte mehr Spaß, als Solitär zu spielen,
und falls irgend jemand zusah, war es weniger offensichtlich, daß ich nichts zu
tun hatte.
     
    Um halb sechs schaltete ich den Computer aus,
ohne zuvor mein Gekrakel zu speichern, drehte das Licht in Martins Büro aus und
wollte gerade gehen, als das Telefon klingelte.
    »Hallo?« Ich hatte es längst aufgegeben, mich
als >Martin Youngs Sekretärin< zu melden, da die meisten Anrufe für mich
zu sein schienen.
    »Hallo, Sophie. Wie kommst du denn so zurecht?«
sagte eine vertraute Stimme.
    Wann immer sie in letzter Zeit anrief, versuchte
ich mir vorzustellen, wie die geheimnisvolle Fremde aussah. Es war schwierig,
sich ein vollständiges Bild zu machen, denn gewöhnlich wechselten wir nur ein
paar Worte. Ihre Stimme war einigermaßen durchschnittlich. Das unverkennbare
Londoner Näseln hatte sie nicht. Irgendwo in den Vokalen schwang die Spur eines
ländlichen Dialekts mit, den ich aber nicht einordnen konnte. Normalerweise
klang die Stimme unbewegt — wie eine gelangweilte Bankkassiererin oder jemand,
der anruft, um einem Möbelpolitur zu verkaufen — aber manchmal ließ sie die
Ernsthaftigkeit fallen, so als habe sie sich gerade selbst überrascht, und dann
stieß sie ein nervöses Lachen aus.
    Es war keine junge Stimme, aber eine alte war es
auch nicht. Ich stellte sie mir in mittleren Jahren vor, mit kurzen,
pflegeleichten Dauerwellen. Ich sah sie immer von hinten, und als ich sie
einmal zu mir umgedreht hatte, war ihr Gesicht bloß ein verschwommener Fleck.
Manchmal stellte ich mir sie an einem Schreibtisch sitzend vor, manchmal stand
sie in der Diele eines kleinen Reihenhauses. Heute dachte ich sie mir in einer
Telefonzelle (es gab eine Menge Hintergrundlärm, als sei sie in der Nähe einer
Hauptverkehrsstraße). Neben ihr standen Einkaufstüten auf dem Boden. Sie trug
einen knielangen türkisfarbenen Rock und eine beige Strickjacke, ein Outfit,
das nicht im geringsten dazu angetan war, ihre ziemlich plumpe Figur zu
verstecken. Sie versuchte die Collage aus vor ihr an die Wand

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