Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es muss nicht immer Mord sein

Es muss nicht immer Mord sein

Titel: Es muss nicht immer Mord sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
Vom Netzwerk:
Beutel und kann Dir bei Deinen Unkosten nicht unter
die Arme greifen.
    Wie Du ja bereits weißt, war ich Dir ein
unzulänglicher Vater, und ich fürchte, in Deiner Achtung nicht zu steigen.
    Salut!
    Marcus Fitt
     
    Ich stand im Flur und las den Brief. Als der
Umschlag mit seiner unverkennbaren Handschrift auf der Fußmatte hinter der
Haustür gelegen hatte, war in mir eine ganz besonders lebhafte Erinnerung an
die Aufregungen meiner Kindheit wachgeworden, die sich rasch legte, als ich den
Text las.
    Im einen Moment schien mein Vater seine
Freundschaft zu offerieren, im nächsten das Angebot zurückzuziehen. Es war
schade, daß er kein Geld hatte, aber ich hatte nie darum gebeten, bei meinem
geplanten Trip nach Frankreich unterstützt zu werden und war irritiert, daß er
es so klingen ließ. Ich war pleite, aber ich hatte stets auf eigenen Füßen
gestanden und ärgerte mich über die Implikation, daß ich von ihm erwartete, mir
aus der Klemme zu helfen.
    Dann war da dieser Satz >Es steht nicht in
meiner Macht, unser Zusammentreffen zu verhindern< Das hörte sich reichlich
negativ an. Ich war seine Tochter, um Himmelswillen, kein Meuchelmörder, der
auf ihn angesetzt war. Unzulänglicher Vater, dachte ich wütend, eher total
hoffnungslos!
    Zugleich war ich höchst neugierig. Wer war diese
Frau, die ihn überredet hatte, mir zu schreiben? Und wo würde seine Ausstellung
stattfinden? Warum hielt sich der Brief über die Details so bedeckt? Und warum
bloß >Salut?< War »Alles Liebe< denn zuviel erwartet nach
zweiundzwanzigjähriger Abwesenheit? Zwei Tränen kullerten mir die Wangen
hinunter.
    »Schlechte Nachrichten?« Ich hatte Liz’
Wohnungstür nicht gehört und auch ihre Schritte auf der Treppe nicht.
    »Ja und nein«, sagte ich und wischte mir mit dem
Handrücken die Augen. »Das ist ein bißchen kompliziert«, schniefte ich.
    »Hast du überhaupt schon gefrühstückt?« fragte
Liz.
    »Nein«, sagte ich. »Das mach’ ich nie.«
    »Solltest du aber«, sagte sie und fügte hinzu:
»Ich geh’ gleich einen Kaffee in der Konditorei trinken. Ich hatte noch keine
Zeit, mich richtig einzurichten, weißt du. Hättest du Lust mitzukommen?«
    Ich schaute auf die Uhr. Es würde nichts
ausmachen, wenn ich ein bißchen zu spät zur Arbeit kam.
     
    Ich schöpfte den Schokoladenschaum von meinem
Cappuccino und leckte ihn vom Löffel ab. Manchmal frage ich mich, wie ich in
den Prä-Cappuccino-Tagen eigentlich zurechtgekommen bin. Kaffee war damals
etwas, das zu trinken ich in London vermied, weil er gewöhnlich aus diesen
Edelstahlkannen kam, die den ganzen Tag auf der Heizplatte standen und die
Flüssigkeit köcheln ließen, bis sie schmeckte wie wäßriger Teer. Aus
irgendeinem unbekannten Grund tauchten dann eines schönen Tages gegen Ende der
achtziger Jahre über Nacht hunderte von winzigen Cappuccino-Bars in praktisch
jeder Londoner Straße auf, und es wurde geradezu obligatorisch, ihn zu trinken.
    »Das hat Spaß gemacht gestern abend, stimmt’s?«
sagte ich.
    »Ja«, sagte Liz und lächelte breit. »Es ist so
schön, tun zu können, was man will.«
    »Was meinst du damit?« fragte ich überrascht.
    »Na ja, ich habe vorher bei meiner Mutter
gewohnt und sie ist ein bißchen streng — na ja, jedenfalls unbeweglich«, sagte
Liz.
    Deswegen wirkte sie also so nervös und naiv. Liz
hatte ihr Elternhaus weit später verlassen als die meisten Leute.
    »Du hast also bei deinen Eltern gewohnt?« fragte
ich.
    »Tja, mein Vater ist kürzlich gestorben«, sagte
Liz und wickelte sich eine Locke um den Finger.
    »Oh, tut mir leid«, sagte ich.
    »Mach dir nichts draus«, erwiderte sie. »Auf
eine Art war es eine ziemliche Erleichterung.«
    Ich nahm an, daß er an einer langwierigen
Krankheit gelitten hatte. Wir verstummten beide. Dachten beide über unsere
Väter nach. Ich umklammerte den Brief in meiner Jackentasche. Er fühlte sich
beruhigend an. Zumindest war mein Vater am Leben.
    »Wann bist du denn zu Hause ausgezogen?« fragte
sie.
    »Mehr oder weniger sobald ich einen Job hatte«,
sagte ich.
    »Du hattest es ziemlich eilig wegzukommen,
oder?« fragte sie.
    »Eigentlich nicht«, sagte ich. »Es war einfach
praktischer für die Arbeit. Und nach der Uni war ich es gewohnt, allein zu
leben.«
    »Oh, du warst auf der Universität, ja? Auf
welcher denn?« fragte Liz.
    »Cambridge«, erwiderte ich.
    »Göttchen, du mußt ja furchtbar schlau sein.
Deine Eltern waren bestimmt sehr stolz auf dich.«
    Darüber hatte ich eigentlich nie

Weitere Kostenlose Bücher