Es muss nicht immer Mord sein
daß ich wußte, von wem sie stammten. Meine geheimnisvolle
Anruferin war wieder aufgetaucht, und — was noch besorgniserregender war — sie
wußte nun auch, wo ich wohnte.
Ich geriet in leichte Panik. Es schien
lächerlich, vor dreißig Sekunden Stille auf einem Anrufbeantworter Angst zu
haben, aber ich hatte sie. Mutter und Reg würden erst in einer Woche
zurücksein, Dave war auf dem Weg zur Arbeit. Es war beinahe Mitternacht. Die
Sache schien es nicht wert, Donny und Dan aus dem Bett zu holen und ihnen das
Ganze zu erklären, aber ich wollte mit jemandem reden. Ich beschloß, Martins
Spott zu riskieren und ihn anzurufen. Ich wählte gerade seine Nummer, als es an
der Tür klopfte. Ich erstarrte.
»Sophie? Bist du das?« hörte ich Liz fragen.
Mit einem gewaltigen Seufzer der Erleichterung
öffnete ich die Tür.
»Hallo«, sagte ich.
»Nettes Wochenende gehabt?« fragte sie. Sie war
schon fürs Bett angezogen und trug einen vernünftigen, aber unattraktiven
Morgenrock. Er ließ sie älter aussehen.
»Sehr, danke. Möchtest du einen Kaffee oder so
was?« Ein rascher Blick auf die Uhr sagte mir, daß es erst halb elf war.
»Nein, danke« sagte sie ziemlich kurz
angebunden.
»Dann also heiße Schokolade — ich hab’ alle
Geschmacksrichtungen.« Ich war auf meinem kürzlichen Fischzug durch den
Supermarkt von einem Probepäckchen mit zehn verschiedenen Diätgetränken in
Versuchung geführt worden.
»Nein«, sagte sie und fügte hinzu: »Du hättest
es mir sagen können.«
»Was?« fragte ich verwirrt.
»Du hättest mir sagen können, daß du wegfährst.
Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, warst du krank. Ich habe gesagt, ich
komme am Freitagabend vorbei. Ich habe dir was zum Abendessen mitgebracht. Bloß
eine leichte Kleinigkeit, weißt du, für deinen Magen. Und dann antwortest du
nicht... Ich hab’ mir ziemliche Sorgen gemacht.«
»Oh, tut mir leid«, sagte ich. »Hör mal, das war
echt freundlich von dir. Ich hab’ einfach nicht daran... sorry.«
»Glücklicherweise habe ich den Hausbesitzer
getroffen, und er sagte, er hat dich mit einer Reisetasche Weggehen sehen.
Ich... Ich wußte einfach nicht, was ich tun sollte, als keine Antwort kam.« Sie
sah aus, als sei sie den Tränen nah.
»Hey, tut mir wirklich leid«, sagte ich. »Das
war gedankenlos von mir. Ich bin derart daran gewöhnt, alleine zu leben, daß
ich es einfach nicht gewohnt bin, daß irgend jemand mein Kommen und Gehen
bemerkt«, fügte ich in einem Ton hinzu, von dem ich glaubte, daß er die
richtige Mischung aus Dankbarkeit und Kümmer-dich-um-deinen-eigenen-Kram
darstellte. Es war nett von Liz, so besorgt zu sein, aber ich fühlte mich
langsam ein bißchen erdrückt von ihrer Aufmerksamkeit.
Sie schien aufzuleben.
»Solange du nur o.k. bist«, sagte sie.
»Mir geht’s prima«, sagte ich. Ich schwieg einen
Moment und versuchte mir darüber klarzuwerden, ob ich ihr von den Nachrichten
auf meinem Anrufbeantworter erzählen sollte. Nein, entschied ich. Sie würde mir
keine Ruhe mehr lassen. Und außerdem war es wahrscheinlich sowieso Mutter, die
aus Italien durchzukommen versuchte, sagte ich mir.
»Bist du sicher, daß du nicht reinkommen
möchtest?« fragte ich nicht ganz aufrichtig.
»Nein, ich sollte besser ein bißchen schlafen«,
sagte sie.
Kapitel Siebzehn
»Hätten Sie
Lust, thailändisch essen zu
gehen, Miß Fitt?«
»Ooh, Mr. Young, das hört sich aber exotisch
an«, sagte ich und setzte dabei eine alberne Stimme auf, wie ein
Fernsehkomiker.
Martin und ich schienen unbewußt einen Weg zu
entwickeln, mit unserer Arbeitsbeziehung zurechtzukommen, der darin bestand,
daß wir jedesmal in eine Art improvisierte Komödienroutine wie aus einer
Büroklamotte verfielen, wenn wir in der Bank miteinander sprachen.
»Ja, das könnte ein echt scharfes Stündchen
werden, Miß Fitt«, erwiderte Martin und zwinkerte anzüglich.
»Also ehrlich, Martin«, sagte ich und krümmte
mich über seinen Witz, aber die Einladung freute mich.
Bevor ich für ihn zu arbeiten begann, hatten
Martin und ich uns wenigstens einmal die Woche zum Mittagessen oder auf einen
Drink getroffen. Jetzt sah ich ihn zwar jeden Tag, aber gewöhnlich nur für
ungefähr fünf Minuten, und das normalerweise, um ein Diktat aufzunehmen.
Wir bestellten die gemischten Vorspeisen, die
mit aus Karotten geschnitzten Rosen dekoriert waren und zusammen mit diversen
Puppenstuben-Schälchen mit Saucen serviert wurden. Ich versuchte einen delikat
mit
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