Es muss nicht immer Mord sein
der
Ansprache der Königin eine Runde oder zwei miteinander gespielt.
Ich mußte an diese Tradition denken, als wir
draußen im Garten saßen, tassenweise Tee tranken und ich ihnen eine
Zusammenfassung der Anhaltspunkte in dem Mysterium gab, in das ich da
anscheinend hineingestolpert war.
»Also«, sagte Reg, »fassen wir einfach mal
zusammen.« Er hatte das schon ein paarmal gesagt. »Ganz knapp ausgedrückt haben
wir folgende Situation: Anstatt >wer hat wem womit was angetan und wo< versuchen
wir herauszufinden, wer dir was an tut und warum?«
»Genau«, sagte ich. »Und vergiß das >wo<
nicht. In der Bank geht irgendwas vor. Das wissen wir. Aber da war auch die
Glückwunschkarte im Pub.«
»Und da gibt es in deiner Straße die alte Frau
mit den Lacklederpumps«, fügte Mutter hinzu, als sei das Schuhwerk irgendwie
verdächtig.
»Bist du dir mit der Polizistin sicher?« sagte
Reg. »Die hört sich für mich ein bißchen seltsam an.«
»Seltsamerweise bin ich mir jetzt ziemlich
sicher, was sie betrifft«, sagte ich. »Ich habe ihren Dienstausweis gesehen.
Als sie mir erzählt hat, daß sie nicht diejenige war, für die ich sie gehalten
hatte, war ich eigentlich nicht so überrascht. Da gab es immer ein paar
Sachen, die nicht so recht gepaßt haben. Warum war sie beispielsweise Model,
wenn sie unter fürchterlichem Lampenfieber litt?«
»Na ja, sie war ja auch kein Model«, sagte Reg
wissend.
»Eben...« sagte ich. »Und ich habe einfach gewußt, daß ihr Freund Frank auch kein Fotograf war. Er hat sogar ausgesehen
wie ein Polizist in Zivil, wenn ich mir’s jetzt überlege. Ich nehme an, sie
haben versucht, eine Kamera in das Fitneßcenter zu bekommen, ohne daß der
Besitzer merkte, wozu...«
»Sie hört sich für mich ein bißchen jung und
töricht an«, sagte Reg. »Für sie ist das alles ein großes Abenteuer, aber sie
pfuscht in anderer Leute Leben herum.«
»Hmm«, sagte ich. »Na ja, sie ist erst
zweiundzwanzig, glaube ich. Es will mir nicht in den Kopf, daß die Polizei so
junge Leute nimmt. Lieber Gott, ich höre mich ja allmählich schon richtig
gesetzt an. Heißt es nicht, wenn man alt wird, merkt man es daran, daß die
Polizisten mit einem Mal alle so jung aussehen?«
»Vielleicht ist es ja ihr erster großer Fall,
und sie hat sich einfach ein bißchen hinreißen lassen«, sagte Reg.
»Tja, vielleicht«, sagte meine Mutter. Sie hatte
eine Weile geschwiegen und nachgedacht. »Ich frage mich, ob wir uns von dieser
Jools, oder wie immer sie heißt, nicht ein wenig vom eigentlichen Thema
ablenken lassen. Wo, hast du noch mal gesagt, hast du die Geburtstagskarte
bekommen?«
Ich dachte nach.
»Das war in der Firma.«
»Ich bin mir sicher, daß die Geburtstagskarte
der Schlüssel ist«, sagte Mutter. »Es verschickt einfach niemand
Geburtstagskarten am falschen Tag. Das macht man normalerweise nicht.«
Wir beschlossen, eine Pause einzulegen, und Reg
ging nach drinnen, um das Tablett mit den Drinks zu holen. Es war ein bißchen
früh am Nachmittag, um mit dem Trinken anzufangen, aber Reg fand, wir könnten
allesamt eine kleine Stärkung gebrauchen. Mutter und ich saßen schweigend
nebeneinander und schwangen langsam auf der Hollywoodschaukel vor und zurück.
Es war ein heißer Sommer gewesen, und der Rasen war ausgedörrt, aber ein paar
der üblichen Rosen blühten noch, und ihr Duft erfüllte die Luft. Hier in Pinner
mit seiner beschaulichen Ruhe, die nur vom weit entfernten Brausen des Verkehrs
und dem Stundenschlag der Uhr auf dem Kaminsims unterbrochen wurde, fiel es
schwer, sich vorzustellen, daß irgend etwas Schlimmes geschehen könnte. Ich
fühlte mich zum ersten Mal seit Wochen in Sicherheit (und vergaß dabei
bequemerweise einen überaus blutigen Doppelmord, der sich rund zehn Jahre zuvor
ein paar Häuser weiter ereignet hatte).
Mutter tätschelte meine Hand und stand auf.
»Wir haben dir ein paar Geschenke mitgebracht«,
sagte sie und ging nach drinnen, um sie zu suchen.
Die weiche braune Lederjacke war um genau das
richtige Maß zu groß, und der superkurze Minirock aus braunem Leder saß wie
angegossen. Ich zog das Seidenpapier aus einer weiteren sagenhaft teuer
aussehenden Schachtel und fand eine schlichte Schultertasche aus braunem Leder,
die zu dem Outfit paßte.
»Wir waren ein Wochenende lang in Rom
einkaufen«, sagte Mutter.
»Aber du bist zu großzügig!« sagte ich. »Die
Sachen sind toll, aber sie müssen ein Vermögen gekostet haben.«
»Ach, was machen schon
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