Es muss nicht immer Mord sein
blöde
Anrufbeantworter dran.«
»Wie bist du denn eigentlich überhaupt an meine
Privatnummer gekommen?« fragte ich so beiläufig ich konnte. Sie war nicht in
meiner Wohnung gewesen, und ich hatte ihr die Nummer ganz gewiß nicht gegeben.
»Oh, Costas hat eine Liste mit all unseren
Nummern in seiner Küche hängen. Hör mal, Sophie, bist du dir auch sicher, daß
alles in Ordnung ist? Nach dieser ganzen Schreierei gestern abend wußte ich
einfach nicht, was ich tun sollte.«
»Mir geht’s gut«, beruhigte ich sie. »Wo bist
du?«, fragte ich, als ich hörte, wie mit leisem Klirren eine Münze nachgeworfen
wurde, was darauf schließen ließ, daß sie in einer Telefonzelle stand.
»Ich rufe von der Arbeit aus an.«
»Gehst du jetzt nach Hause?« fragte ich.
»Ja.«
»Tja, wir sehen uns dann später«, sagte ich.
»Oh, kommst du heute abend zurück? Ich besorg’
uns was zum Abendessen.«
»Nicht nötig«, sagte ich.
»Ist doch keine Mühe«, sagte Liz glücklich; im
nächsten Moment knackte es und die Leitung war tot.
Sobald ich das Telefon aufgelegt hatte,
klingelte es erneut. Ich schnappte nach dem Hörer.
»Ja?«
»Oh, bist du das, Sophie?« sagte Jools in ihrem
Londoner Dialekt.
»Yup.«
»Alles o.k.?«
»Yup.«
Mir war nicht danach, mit ihr zu plaudern.
»Hör mal, ich hab’ bloß angerufen, um zu sehen,
ob du o.k. bist. Verstehst du, was ich meine?«
»Yeah. Hör zu, Jools, mir geht’s prima.«
»Und ich dachte, das interessiert dich
vielleicht. Ich hab’ rausgekriegt, wo ich diese Nachbarin von dir schon mal
gesehen hatte.«
Ich versteifte mich. Visionen von Jools, wie sie
auf einer Polizeistation Bücher voller Phantombilder von Serienkillern
durchblätterte, erfüllten meinen Kopf.
»Weißt du noch, wie ich gekommen bin, um mir
deine Show anzusehen, dieses erste Mal, weißt du, der Roberta-Flack-Abend? «
»Yeah, ich weiß, von welchem du redest.«
»Sie war auch dort, im Publikum. Sie sagte, sie
kennt dich, oder ist mit dir verwandt oder so was.«
»Und ich nehme an, du hast ihr erzählt, wo ich
arbeite?« sagte ich und fügte damit einen weiteren Teil des Puzzles ein.
Das war die letzte Verbindung. Jools war am
ersten Wochenende, nachdem ich sie kennengelernt hatte, zur Show gekommen. Das
auch das erste Wochenende war, nachdem ich bei der Bank angefangen hatte. Ich
erinnerte mich daran besonders deutlich, weil ich damals hocherfreut gewesen
war, auf der Arbeit so rasch eine Freundin gefunden zu haben. Jetzt, dachte ich
mit einiger Bitterkeit, wußte ich, daß ihr Eifer, mehr über mich und meine Show
herauszufinden, bloß Tarnung gewesen war. Sie hatte ganz einfach ein paar
Überstunden gemacht. Aber wenn sie dort mit Liz gesprochen hatte, dann erklärte
das, wie Liz herausbekommen hatte, wo ich arbeitete. Es war schon ironisch,
dachte ich, daß ausgerechnet die verdeckte Ermittlerin ebenjenes Stückchen
Information verraten hatte, das meine Verfolgerin zu mir geführt hatte.
»Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob ich ihr
das erzählt habe«, sagte Jools gerade. »Wir haben ein bißchen miteinander
geplaudert. Könnte schon sein, denke ich. Warum fragst du?«
Kapitel Zweiundzwanzig
»Warum?«
Ich weiß nicht, wie oft wir alle dieses Wort in
Regs Rover auf dem Weg nach Zentral-London sagten.
Warum hatte ich die Stimme am Telefon nicht mit
der meiner neuen Nachbarin in Verbindung gebracht? Na ja, außer, daß sie eine
flache, ganz normale Stimme besaß, war der einzige Grund, der mir einfallen
wollte, daß die Anrufe aufgehört hatten, bevor sie einzog. Also hatte ich nie
wirklich Gelegenheit — oder Grund dazu — gehabt, ihre Telefonstimme mit ihrer
>richtigen< zu vergleichen. Schließlich brauchte sie nicht per Telefon
mit mir zu reden, wenn sie beim Frühstück in der Konditorei mit mir plaudern
konnte. Und was man wahrnimmt, hat eine Menge damit zu tun, was man erwartet.
Es war mir nicht im Traum eingefallen, daß die Person, die mich verfolgte,
derart nah sein könnte.
Aber das führte zu dem größeren >Warum
Warum um alles in der Welt hegte diese anscheinend sanfte und freundliche Frau
ein derartiges Interesse an mir und meinem Wohlergehen? Ein Interesse, das
allmählich obsessiv wirkte. Sie war mir von meiner Show über die Bank zu meinem
Zuhause gefolgt, und jetzt hatte sie sich in der Wohnung unter mir
eingerichtet, wo sie allem zuhören konnte, was ich tat und sagte. Das hatte
etwas äußerst Seltsames an sich.
Wir lasen Dave am Northwick
Weitere Kostenlose Bücher