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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Augenblick bevorzugt. Ich werd’s tun, weil wir beide schon viel zusammen durchgemacht haben. Aber ich werd dir nie vergessen, dass du mich von einem Tag auf den anderen sitzenlässt, Rich.«
    »Oh, nun übertreib mal nicht«, sagte Rich, aber sein Kopfweh wurde stärker. Er wusste genau, was er tat. Glaubte Steve etwa, er wüsste das nicht? »Ich brauche ein paar freie Tage, das ist alles. Du tust ja so, als würd ich plötzlich auf den Sender scheißen.«
    »Ein paar Tage frei – für was? Das Wiedersehenstreffen deiner Pfadfindergruppe bei den Scheißhausfällen, North Dakota, oder Fotzen-City, West Virginia?«
    »Ich glaube, die Scheißhausfälle liegen in Arkansas, Kumpel«, sagte Buford Kissdrivel in seiner Stimme wie aus einem hohlen Fass, aber Steve ließ sich nicht ablenken.
    »Weil du ein Versprechen gegeben hast, als du elf warst? Kinder in diesem Alter machen doch keine ernsthaften Versprechen, verdammt noch mal! Aber das ist noch nicht einmal der Kern der Sache, Rich. Das hier ist keine Versicherungsgesellschaft und auch keine Anwaltskanzlei. Das hier ist Showbusiness, wenn auch in bescheidenem Umfang, und das weißt du selbst verdammt gut. Wenn du mir vor einer Woche Bescheid gesagt hättest, säße ich jetzt nicht mit diesem Telefonhörer in der einen Hand und einer Flasche Mylanta in der anderen da. Du hast mich in’ne Riesenscheiße reingeritten, und das weißt du, also versuch gefälligst nicht, mich für dumm zu verkaufen!«
    Steve brüllte jetzt fast, und Rich schloss die Augen. Ich werd’s dir nie vergessen, hatte Steve gesagt, und Rich vermutete, dass das stimmte. Aber Steve hatte auch gesagt, dass Kinder keine ernsthaften Versprechen machen könnten, und das stimmte keineswegs. Rich konnte sich nicht erinnern, worum es bei diesem Versprechen im Einzelnen gegangen war – vielleicht wollte er sich auch gar nicht erinnern -, aber es war ihnen allen damals sehr ernst damit gewesen.
    »Steve, ich muss fahren.«
    »Ja. Und ich habe dir gesagt, dass ich die Sache irgendwie hinbiegen werde. Also fahr los! Fahr, du unzuverlässiger Arsch!«
    »Steve, das ist doch lächer…«
    Aber Steve war nicht mehr dran. Rich hatte seinen Hörer kaum aufgelegt, als das Telefon erneut klingelte, und er wusste, dass es wieder Steve sein würde, noch wütender als eben. Es wäre sinnlos, sich jetzt weiter mit ihm zu unterhalten; dadurch würde alles nur noch schlimmer werden. Deshalb stellte er das Telefon mithilfe des Schalters an der Seite des Apparates einfach ab.
    Er ging nach oben, holte zwei Koffer aus dem Schrank und packte ziemlich wahllos alles Mögliche hinein: Jeans, Hemden, Unterwäsche, Socken. Erst später sollte ihm auffallen, dass er nur Sachen eingepackt hatte, die Kinder anzogen. Er trug den Koffer nach unten.
    An einer Wohnzimmerwand hing ein Schwarz-Weiß-Foto der kalifornischen Big-Sur-Küste, das Ansel Adams aufgenommen hatte. Rich klappte es an versteckten Scharnieren zurück, und dahinter kam ein Safe zum Vorschein. Er öffnete ihn und griff hinter all die Dokumente – dieses Haus hier, acht Hektar Wald in Idaho, Aktien. Er hatte diese Aktien scheinbar aufs Geratewohl gekauft – sein Makler griff sich immer an den Kopf, wenn er Rich kommen sah -, aber sie waren mit den Jahren stetig gestiegen. Er war manchmal ganz überrascht bei dem Gedanken, dass er fast – nicht ganz, aber fast – ein reicher Mann war. Das hatte er der Rock-and-Roll-Musik zu verdanken … und natürlich auch seinen Stimmen.
    Haus, Grundbesitz, Aktien, Versicherungspolice, sogar eine Kopie seines Testaments. Die Fäden, die einen fest an die vorgezeichnete Landkarte des Lebens binden, dachte er.
    Ihn überkam plötzlich ein wilder Impuls, einfach ein Streichholz anzuzünden und das ganze verdammte Zeug zu verbrennen. Die Papiere in diesem Safe bedeuteten ihm plötzlich überhaupt nichts mehr.
    In diesem Augenblick packte ihn zum ersten Mal richtig der Schrecken – nicht vor etwas Übernatürlichem, sondern einfach bei der Erkenntnis, wie selbstmörderisch einfach es war, sein gewohntes Leben plötzlich aufzugeben. Es war gruselig – man ging einfach fort.
    Und hier war das Zeug, das man zum Weggehen brauchte, hinter den ganzen Papieren, die sozusagen nur Vettern zweiten Grades von Geld waren. Hier lag das Bargeld. 4000 Dollar in Zehnern, Zwanzigern und Fünfzigern.
    Er holte es heraus und stopfte es in seine Hosentasche; und dabei fragte er sich, ob er dieses Geld – einen Zwanziger hier, einen Fünfziger dort –

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