Es: Roman
nickte.
»Kommt, gehen wir rein«, sagte Bev. »Ich möchte bei mir daheim anrufen. Das hab ich versprochen. Und seid bitte alle mucksmäuschenstill. Mein Vater glaubt, ich wäre im Jugendzentrum und würde von dort nach Hause gefahren werden.«
»Und was ist, wenn er auf die Idee kommt, dich selbst abzuholen?«, fragte Mike.
»Dann bekomme ich jede Menge Ärger.«
Ich würde dich beschützen, Beverly, dachte Ben. Vor seinem geistigen Auge rollte ein kurzer Wachtraum ab, der so herrlich endete, dass ihn ein süßer Schauder überlief. Bevs Vater begann sie auszuschimpfen, ihr Strafen und Prügel anzudrohen und dergleichen (nicht einmal in seinem Wachtraum wäre Ben auf die Idee gekommen, dass Al Marsh zu noch viel schlimmeren Dingen imstande war). Ben stellte sich schützend vor sie und erklärte Marsh, er solle sie in Ruhe lassen.
Wenn du Ärger willst, Fettkloß, brauchst du nur weiterhin meine Tochter in Schutz zu nehmen.
Hanscom, für gewöhnlich ein stiller Bücherwurm, kann zum wilden Tiger werden, wenn man ihn reizt. Ganz gelassen sagt er zu Al Marsh: Wenn Sie ihr etwas zuleide tun wollen, dann nur über meine Leiche.
Marsh macht einen Schritt vorwärts … sieht den stählernen Glanz in Hanscoms Augen und bleibt stehen.
Das wird dir noch leidtun, murmelt er, aber ganz offenkundig ist ihm die Lust zum Kämpfen gründlich vergangen. Er ist eben doch nur ein Papiertiger.
Das bezweifle ich, sagt Hanscom mit einem knappen Gary-Cooper-Lächeln, und Beverlys Vater schleicht von dannen.
Was war nur los mit dir, Ben?, ruft Bev, aber ihre Augen strahlen und funkeln wie Sterne. Du hast ausgesehen, als wolltest du ihn umbringen!
Ihn umbringen?, sagt Hanscom, und jenes leichte Gary-Cooper-Lächeln spielt immer noch um seine Lippen. Keineswegs, Baby. Er mag zwar ein Dreckskerl sein, aber immerhin ist er dein Vater. Vielleicht hätte ich ihn ein bisschen verdroschen, aber nur, weil mir das Blut zu Kopf steigt, wenn jemand dir droht, weißt du?
Sie wirft ihre Arme um seinen Hals und küsst ihn (auf den Mund! auf den MUND! ). Ich liebe dich, Ben!, schluchzt sie. Er spürt, wie ihre kleinen Brüste sich fest an seine Brust pressen und …
Er schüttelte dieses herrliche Fantasiegespinst mühsam ab, als Richie ihn von der Türschwelle aus fragte, ob er nun endlich käme. Er stellte fest, dass er allein in der Werkstatt war.
»Ja«, antwortete er. »Klar.«
»Du wirst allmählich senil, Haystack«, sagte Richie, als Ben über die Schwelle trat, aber er klopfte ihm dabei auf die Schulter. Ben grinste und nahm Richie kurz in den Schwitzkasten.
5
Es gab keine Probleme mit Beverlys Vater. Er war erst spät von der Arbeit nach Hause gekommen, war vor dem Fernseher eingeschlafen, kurz aufgewacht und sofort zu Bett gegangen, erzählte Bevs Mutter ihr am Telefon.
»Fährt dich jemand nach Hause, Bevvie?«
»Ja, Mama. Bill Denbroughs Vater – er nimmt gleich mehrere von uns mit.«
Mrs. Marsh hörte sich ziemlich besorgt an. »Du hast doch nicht etwa ein Rendezvous, oder?«
»Nein, natürlich nicht«, sagte Bev und schaute vom halbdunklen Flur, wo das Telefon stand, ins Esszimmer der Denbroughs, wo die anderen sich gerade ans Monopoly-Brett setzten. Aber ich wünschte, ich hätte eins, Ma. »Jungs, igitt. Aber sie haben hier so’ne Liste aushängen, und jeden Abend fährt ein anderer Vater oder eine Mutter die Kinder nach Hause.« Zumindest das entsprach der Wahrheit. Der Rest war eine so freche Lüge, dass sie fühlte, wie sie im Dunkeln errötete.
»Okay«, sagte ihre Mutter. »Ich wollte nur ganz sicher sein. Du weiß ja, wenn dein Vater je erfahren würde, dass du in deinem Alter ein Rendezvous mit einem Jungen hast, würde er außer sich sein.« Dann fügte sie rasch hinzu: »Und ich natürlich auch.«
»Ja, ich weiß«, sagte Bev und blickte immer noch zu den anderen hinüber. Sie war nicht nur mit einem Jungen zusammen, sondern gleich mit sechs, und es waren keine Erwachsenen im Haus. Ben schaute besorgt zu ihr herüber, und sie lächelte ihm zu und zeichnete mit dem Zeigefinger eine »Lächeln«-Geste in die Luft. Er errötete heftig und erwiderte die Geste.
»Sind auch irgendwelche von deinen Freundinnen da, Bevvie?«
Welche Freundinnen, Mama?
»Ähm, Patty O’Hara ist da. Und Ellie Geiger. Sie spielt unten Shuffleboard, glaube ich.« Die Lügen kamen ihr so leicht über die Lippen, dass sie sich schämte. Sie wünschte, ihr Vater wäre am Telefon; dann hätte sie zwar viel mehr Angst, aber sie
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