Es soll Liebe sein: Roman (German Edition)
nie auch nur das Geringste gefehlt hatte. Fritz, der immerhin als Arzt ausgebildet war, behandelte die Unpässlichkeiten seines Bruders mit freundlicher Geringschätzung.
Zu diesem Zeitpunkt wusste ich bereits, dass alles verloren war, und hatte zu lachen begonnen. Ich beschloss, besser einzuschreiten, bevor es noch schlimmer würde.
»Komm schon, Phoebe. Wir sollten gehen.«
Fritz legte einen Arm um die zerbrechliche Gestalt seiner Mutter und küsste sie auf die Stirn. »Bleib nicht zu lange weg, ja? Wenn du dich verausgabst, rede ich nie wieder mit dir.«
»Ich werde vorsichtig sein.« Phoebes Stolz auf ihn trat so offen zutage, dass der schlechte Eindruck von Faulheit und Unordnung einen Moment gebannt war. Fritz erinnerte manchmal geradezu unheimlich an Jimmy.
»Cassie, bitte sorge dafür, dass sie etwas isst«, sagte Fritz. »Du weißt, wie töricht sie sein kann.«
»Du kannst nicht von mir erwarten, zu Abend zu essen, wenn du es nicht tust«, sagte Ben und küsste Phoebe auf die an-dere Wange. »Meinst du, sie sollte ein Glas Wein trinken? Das wird sich doch mit den Medikamenten vertragen, oder?«
Fritz sagte: »Absolut. Ich denke, sie sollte so viel trinken wie möglich.«
»Rotwein«, sagte Ben mit Kennermiene. »Darin stecken viele Antioxidantien. Und du solltest auch versuchen, etwas Spinat zu bekommen, wegen des Eisens.«
»Hör nicht auf ihn«, riet Fritz Phoebe. »Nimm alles, was du magst – aber denk daran, dass ich um elf zurückkomme. Und wenn du nicht hier bist, werde ich zum Restaurant marschieren und dich an den Haaren herauszerren.«
Phoebe küsste sie beide und versprach, sich »wie einen wertvollen Kristall« zu behandeln.
»Wie von Lalique«, sagte Ben. »Nur wertvoller.«
Wir überließen die Jungs der Aufgabe, sich für ihre verwerflichen Abende mit verheirateten Frauen frische Jeans und Hemden anzuziehen. Ich ärgerte mich unwillkürlich über die Art, wie sie Honors flüchtigen guten Eindruck verdorben hatten –, aber durch ihre Liebe zu Phoebe war ich auch unwillkürlich besänftigt.
Honor war während des Spaziergangs zum Restaurant sehr still. Sie tat mir in gewisser Weise Leid. Sie hatte einen ziemlichen Gefühlsschock erlitten, besonders wenn man bedachte, dass sie die vergangenen Monate mit einem Haufen toter viktorianischer Sozialisten abgeschottet in einer Bibliothek verbracht hatte. Sie hatte den Mann ihrer Träume erblickt, nur um dann Zeugin zu werden, wie er genau zu der Art verdorbenem, schmuddeligem Taugenichts zerfiel, die sie verabscheute. Sie war viel zu höflich, um Phoebe irgendetwas davon merken zu lassen.
Phoebe war glücklicherweise immer noch davon überzeugt, dass die Begegnung ein Erfolg gewesen sei. Sie war überaus glücklich, lebensfroh und energiegeladen und genoss den lieblichen Frühlingsabend. Sie schien jedermann in Hampstead zu kennen, und wir tauschten mit der halben Nachbarschaft Grüße aus, bevor wir Flask Walk erreichten.
Matthew wartete an einem steif gedeckten Ecktisch und las die sehr klein gefaltete Financial Times. Er küsste Phoebe auf die Wange (er verhielt sich ihr gegenüber sehr ritterlich, was mich augenblicklich mit Stolz auf ihn erfüllte) und schüttelte Honor die Hand. Er erfreute mich dadurch, dass er mich inniger küsste als üblich und murmelte: »Du bist absolut wunderbar!«
Es war ein magisches Essen, was vollkommen Phoebe zuzuschreiben war. Alles gefiel ihr. Die Umgebung war reizend, der Wein, den Matthew ausgesucht hatte, Nektar. Es rührte sie, dass sich die Besitzer des Restaurants an sie erinnerten, und es war eine fast zu große Ehre für sie, als der Chef ihr ein spezielles Omelette bereitete, das nicht auf der Karte stand. Er kam kurz herbei und erwähnte, dass er Fritz kannte. Vermutlich hatte Fritz ihm von Phoebes Krankheit erzählt. Er behandelte sie jedenfalls wie eine Königin.
Phoebe aß den größten Teil des Omelettes und ein paar Blätter Salat. Die auf dem Tisch flackernden Kerzen tilgten die neuen Furchen in ihrem Gesicht und ließen ihre Augen glänzen. Ich stupste Matthew unter dem Tisch mit dem Fuß an, weil es mich jäh mit Glück erfüllte, dass es so leicht war vorzugeben, es gäbe keine Zukunft.
Phoebe bewegte Matthew und Honor, über sich zu sprechen, auf weitaus lebendigere und interessantere Art als üblich. Ich glaube nicht, dass ich Matthew jemals so entspannt erlebt hatte – er scherzte sogar über seine Klienten. Phoebe hatte ein Geschick dafür, dass sich Menschen in ihrem
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