Es soll Liebe sein: Roman (German Edition)
Beziehung weitgehend durch mich bestand. Ich war diejenige, die sich alle Mühe gegeben hat.«
»Man verfängt sich sehr leicht in dieser Art Machtbalance«, sagte Ruth. »Der eine fordert, und der andere versucht, diesen Forderungen nachzukommen. Die Forderungen sind manchmal eine direkte Reaktion auf das Bedürfnis des anderen zu gefallen.«
»Wie bei dir und Derek.« (Mein Vater.) Das war kühn, aber ich wollte sehen, wie weit Ruths neue Mitteilsamkeit ging.
»Ein wenig«, sagte sie kühl. »Wie geht es ihm übrigens? Hast du von ihm gehört?«
»In letzter Zeit nicht mehr. Er ist in Kalifornien. Er hat eine Professur in Berkeley bekommen.«
»Der Kreis schließt sich«, sagte Ruth trocken. Sie war Studentin bei Derek gewesen, als sie sich ineinander verliebten.
»Ich rede nicht viel mit ihm«, sagte ich. »Er ruft mich an meinem Geburtstag an. Manchmal an Weihnachten.«
»Das ist das Leben, das er für sich gestaltet hat«, erklärte Ruth. »Es war immer extrem schwierig, genau in Erfahrung zu bringen, was er wollte. Er kannte sich selbst nicht richtig. Soll ich eine Flasche Wein aufmachen?«
»Wein?« Sie überraschte mich. Ich war es nicht gewohnt, dass Ruth Wein aufmachte. Ihr übliches Getränk war ein heilkräftiger Schluck Whisky. Allmählich wurde mir klar, warum Phoebe mich hierher geschickt hatte. Sie wollte, dass ich selbst erkannte, dass Ruth – nun, wie soll ich es ausdrücken? – weicher geworden war.
»Ich habe immer eine Flasche für George da«, sagte Ruth.
Also gehörte George bereits zum Inventar des Hauses meiner Mutter. Es störte mich zum ersten Mal, dass ich nicht zum Inventar gehörte. Und gleichzeitig spürte ich bei Ruth den vorsichtigen Wunsch, die Hand nach mir auszustrecken, mich zu trösten, mich vor Kummer zu bewahren.
»Ich habe gestern Abend viel zu viel getrunken«, sagte ich. »Ich überwinde noch den Kater.«
»Probier nur mal einen Schluck.« Ruth hielt die Flasche hoch. »Vielleicht ist es genau das, was du brauchst. Ein Haar des Hundes, der dich gebissen hat.«
Darüber musste ich lachen. »Eine Schuppe des Dinosauriers, der mich gebissen hat, meinst du wohl. In Ordnung, ich werde einen Tropfen probieren.«
Das kleine Glas Rotwein, das sie mir reichte, ließ sich sehr gut trinken. Die umgebende Stille begann in meine Haut einzusinken. Ich erkannte allmählich, dass dieser ruhige Ort eine heilsame Wirkung hatte, ganz schwach antiseptisch, aber sehr wohltuend. Wir beide hatten uns auf einer Ebene getroffen, auf der wir uns bequem unterhalten konnten. Beim zweiten Glas Wein wurde mir wieder bewusst, dass man sich mit Ruth manchmal sehr gut unterhalten konnte. Ich dachte, ihre entspannte Stimmung mochte wohl George Denny zuzuschreiben sein, der in dem Moment durch die unverschlossene Haustür hereinspazierte, als die Pastete aus dem Ofen kam.
Er erwies sich als kräftiger, weißhaariger Witwer in den Sechzigern, der Segelkluft trug. Er verhielt sich wie Ruth zurückhaltend, aber die starke, ruhige Freundschaft zwischen ihnen war unverkennbar. Ruth war in seiner Gegenwart so entspannt, wie sie es während ihrer schrecklichen Ehe und deren Nachwirkungen nie gewesen war. Sie scherzten sogar gemeinsam, wenn auch auf sehr trockene Art. George hatte den Cavendish Quarterly abonniert und äußerte sich höchst schmeichelhaft über einen Artikel zu John Galsworthy, den ich geschrieben hatte. Es war deutlich, dass er ihn aufmerksam gelesen haben musste.
Entgegen allen meinen Erwartungen verbrachten wir drei einen sehr angenehmen Abend. Ich trank Wein und aß Nudelauflauf. Ich ging um halb elf zu Bett (mein altes Bett, aus der Wohnung; ich kannte die Matratze genau) und schlief traumlos.
Die freundliche Höflichkeit wurde den Samstag über fortgeführt. Wir gingen auf der Klippe spazieren, besuchten -Georges Boot in dem kleinen Hafen und aßen in einem -Fischer-Pub an der Hafenmauer zu Mittag.
Abends (bei einem weiteren Drink und vom guten Benehmen ein wenig erschöpft) fiel mir Phoebes Geschenk ein. Ruth hatte es vergessen, und es lag noch eingepackt da.
Als Ruth den Glockenblumen-Quilt auspackte und ihn vorsichtig über ihren Knien entfaltete, verriet ihr Gesicht nichts, und sie blieb lange Zeit still.
»Wie typisch für Phoebe«, sagte sie schließlich, »so absolut offen zu sein.« Sie schaute zu mir hoch. »Ich werde sie anrufen und alles das. Aber bitte sage ihr …«, sie wirkte rührend zögerlich, »es ist wahrscheinlich das Wundervollste, was mir jemals
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