Es sterben immer drei
selbstzufriedenen Hintern getreten. Aber das war nicht die richtige Art, dieses Problem zu lösen. Während Irma und Otto sich in die kürzeste der langen Warteschlangen an der Kassenfront einreihten, ging sie schon nach draußen und wählte noch im Gehen Lucas Nummer im Büro. Der Ärger über Ottos Ignoranz gab ihr den Mut, den sie den ganzen Vormittag nicht hatte zusammenkratzen können. Er meldete sich sofort, reimte Stella auf Bella und schien sich über ihren Anruf zu freuen. »Ich wollte mich auch schon melden«, sagte er. »Aber hier ist so viel los. Ich komme vorbei, wenn ich ein bisschen Luft habe.«
Egal, dass er sich mit Valerie kompromittierenden Situationen ausgesetzt hatte, von seiner Frau getrennt lebte, eine Neigung zum Abschleppen williger Journalistinnen pflegte und es auch sonst noch einige nicht ausdiskutierte Themen zwischen ihnen gab, Stella war auf einen Schlag bestens gelaunt. Jetzt nur nicht die Stimmung verderben mit Hinweisen auf Marlenes Beobachtungen und das Foto mit den drei Gewehren.
Auf dem Rückweg vom Supermercato setzte Otto seine beiden Damen auf dem Parkplatz der Cantina Cavalli ab, übergab Stella den Schlüssel für Luis’ Kastenwagen und verschwand zu dringenden konspirativen Gesprächen ins Krankenhaus. Sie würden doch sicherlich auch ohne Navi nach Hause finden. Es sei nicht gut für den Kastenwagen, unbeaufsichtigt in der Gegend herumzustehen, während sein Besitzer die von der Mafia zugefügten Verletzungen ausheile.
Stella brachte Irma zurück zu ihrer Krimi-Lektüre in Ottos Haus und fuhr gleich weiter zur Casa Pornello. Beflügelt von ihrer guten Laune, wollte sie ihren Feinschliff zur professionellenWühlmaus selbst in die Hand nehmen, damit sich ihre eigene Version der Geschichte endlich konkretisierte. Weder von Otto noch von Luis war in dieser Hinsicht Hilfe zu erwarten. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als die Recherchen auf eigene Faust voranzutreiben. Wonach genau sie in der Casa Pornello suchen sollte, wusste sie zwar noch nicht, aber das würde sich ergeben. Aktionismus musste nun wirklich nicht Ottos Domäne bleiben.
Die Einzige, die sich freute, als sie in den Hof fuhr, war Marlene. »Hier brutzeln alle nur öde in der Sonne«, beschwerte sie sich. »Ich bin noch zu jung, um mir Hautkrebs zu holen.« Um ein bisschen Pep in die Bude zu bringen, war sie gerade auf dem Weg in die nächste Pasticceria, wo sie nach guter deutscher Tradition Kuchen für alle zum Nachmittagskaffee besorgen wollte. Da sowohl der Alfa als auch Kleemanns Passat nur noch ein paar Tropfen Benzin im Tank hatten, borgte sie sich von Stella den Kastenwagen und verschwand in einer Staubwolke. Stella war es recht, so würde kein Auto ihre Anwesenheit verraten. Auf der Terrasse schliefen alle Bewohner des Hauses unter Sonnenschirmen. Niemand schien zu merken, dass Besuch gekommen war, und niemand schien sich zu sorgen, dass Einbrecher die Gelegenheit nutzen könnten, um die Inneneinrichtung und etwaiges Bargeld wegzutragen. Die Gelegenheit.
Stella überlegte, wessen Zimmer sie am meisten interessierte. Eigentlich alle. Die Außentreppe in den ersten Stock lag an der Rückseite des Haupthauses, praktischerweise außer Sichtweite der Terrasse. Niemand würde die neugierige Besucherin bemerken, die sich genauer umschaute als erlaubt. In den Zimmern herrschte das Chaos von Feriengästen, die zu bequem sind, ihre Koffer ordentlich auszupacken und die Kleider in die Schränke zu hängen. Stella identifizierte den gemeinsamen Raum von Kleemann und Marlene vor allem an einem hellblauen Slip mit dem Aufdruck »Fuckuall« auf der Rückseite. Sie nahm nicht an, dass Renate damit Andreas beglückte. Auf Kleemanns Nachttisch lag T. C. Boyles Roman über Frank Lloyd Wright, der mitdem vielversprechenden Titel ›Die Frauen‹ auch lesefaulen Architekten den Genuss eines Romans schmackhaft machte, sowie eine alte Ausgabe der Zeitschrift ›Der Baumeister‹. Ein schwarzer und ein weißer Leinenanzug hingen auf Bügeln am Schrank. Auf Marlenes Nachttisch stapelten sich die aktuellen Ausgaben aller italienischen Modemagazine. Dicke, mit Anzeigen vollgepropfte Septemberausgaben. Ein beachtlicher Turm weiblichen Fachwissens, das sich Marlene aber nicht zu Herzen genommen hatte. Statt, wie in solchen Publikationen empfohlen, immer schön ordentlich aufzuräumen, verstreute sie ihre Sommerkleidchen, Jeans und T-Shirts sorglos im ganzen Raum. Dort, wo sie sich gerade ausgezogen hatte, mutmaßte
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