Es sterben immer drei
Tages in der Gesellschaft von Irma, Luis und Otto. Das hatte den Vorteil, nicht auf jedes Wort achten zu müssen, weder auf die eigenen noch auf die der anderen.
Ottos Haus roch nach Hühnersuppe, weil Irma Derridas Verpflegung in die Hand genommen und ihn auf eine gesunde Diät gesetzt hatte. Sie hatte ein gerade mal sechs Wochen alt gewordenes Hähnchen gekocht, an dessen Knochen der Hund sich nicht verschlucken konnte. Dazu Reis. Derrida dankte es ihr mit schwanzwedelnder Daueranwesenheit, was den Gemütlichkeitsfaktor deutlich steigerte. Stella ließ sich Irmas selbst gebackenen Kuchen mit Äpfeln aus Ottos Garten schmecken. Vielleicht war es an der Zeit, sich von ihrer Mutter in die hausfraulichen Geheimnisse eines perfekten Mürbeteigs einweihen zu lassen, stattsich dem täglichen Überlebenskampf außerhalb des eigenen Heims auszusetzen, dachte sie ganz unemanzipatorisch. Die Idee war verlockend, die Umsetzung würde allerdings an einer Kleinigkeit scheitern. Ihr fehlte der Ehemann, der das Kämpfen da draußen übernahm und Stella den Rückzug in die Küche finanzierte. Sie seufzte in Gedanken so laut, dass Otto ihr mitfühlend das Knie tätschelte. »Ist doch alles halb so schlimm«, sagte er, enthüllte aber nicht, wo er selbst sich in Gedanken befand.
Sie saßen alle um Luis Krankenbett und hatten gerade wie eine Gruppe Kriminalbeamte den Fall von allen Seiten betrachtet. Jedes Puzzlesteinchen ratlos in die Hand genommen und wieder weggelegt. Nichts passte zusammen. Was hatten 100 000 Euro, eine Luxushandtasche in einer unmöglichen Farbe und eine pummelige Silhouette, die Kleemann sein konnte oder auch nicht, mit Valeries Tod unter umbrischen Krüppeleichen zu tun? Ganz zu schweigen davon, dass eine ukrainische Büroklammer in Form eines Hundeknochens nirgendwo in diesem Szenario Platz fand.
Die beiden Muskelpakete immerhin, die Marlene erwähnt hatte, ließen Luis und Otto jubilieren. Sie sahen ihre Mafiatheorie bestätigt, ohne dass die Rolle dieser beiden Statisten eindeutig geklärt werden konnte.
Stella driftete in Gedanken über die Annehmlichkeiten des Hausfrauendaseins ab und überhörte das Festnetztelefon. Erst ein Schubser von Irma holte sie ins Hier und Jetzt zurück. »Luca. Für dich«, sagte sie und hielt ihr den Apparat hin.
»Ich muss dich warnen«, sagte er. »Wir haben Karl Kleemann wieder freigelassen. Er weiß nichts von 100 000 Euro. Er macht Geschäfte mit der Contessa und Cavallo. Architektonische Beratungen für die Renovierung ihres Schlosses und den Umbau der Filialen ihres Geschäftspartners ›Dolce&Sauer‹ in Deutschland. Das ist alles in Ordnung. Die 50 000 Euro Honorar sauber versteuert.«
»Und Marlene?«
»Sie bleibt bei ihrer Geschichte. Ich halte sie wegen illegalem Waffenbesitz ein bisschen fest. Vielleicht fällt ihr in der Stille der Gefängniszelle noch etwas ein.«
»Wenn es nicht Karl war, den sie gesehen hat, wer war es dann?«
»Wir wissen es nicht.«
»Welcher rundliche Mann könnte sonst noch Valerie das Geld gegeben haben?«
»Wir wissen es nicht.«
»Und wofür wurden die 100 000 Euro gezahlt? Für eine Erpressung ist es eigentlich nicht so wahnsinnig viel Geld.« Stella fand insgeheim, wenn man schon in verbrecherischer Absicht handelte, dann wenigstens in ganz großem Stil, alles andere lohnte den Aufwand nicht. Aber natürlich hütete sie sich, diese Art von Überlegungen ausgerechnet einem Polizisten darzulegen.
»Wir wissen es nicht.«
»Ich dachte, die Polizei weiß wenigstens ab und zu etwas«, wunderte sie sich.
Er unterhielt sich mit jemand anderem auf Italienisch. Sie hörte nur ein undeutliches Gequake, wahrscheinlich hatte er die Hand über den Hörer gelegt. Unnötigerweise, sie hätte sowieso nichts verstanden. Er verabschiedete sich so eilig, wie er das gern tat. »Ciao, Bella, ich muss arbeiten. Der Chef ruft nach mir. Wann machen wir uns wieder einen schönen Nachmittag?« Keine Spur mehr von Niedergeschlagenheit.
Weil er durch die Festnahme und Vernehmung zweier deutscher Verdächtiger wieder in der Achtung seiner Vorgesetzten gestiegen war, hoffte Stella. »Du brauchst nur anzurufen.«
»Ich melde mich.« Luca legte auf.
Immer diese leeren Versprechungen.
Sie hatte ihm schon wieder die Existenz des USB-Sticks verschwiegen. Langsam entwickelte sich die Geheimniskrämerei zu einer kriminellen Handlung, nahm sie an. Ob es einen Anklagepunkt Verheimlichen möglicher Beweismittel gab? Und wovor hatte Luca sie
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