Es sterben immer drei
eigentlich warnen wollen? Vor einem wütenden Kleemann, der sich darüber ärgerte, dass Stella ihn in den Focus der Polizei manövriert hatte? Vielleicht war es besser, zurück zu Irma und Luis zu ziehen. Auf einer Campingliege zu nächtigen war angenehmer, als sich Vorwürfen und Anschuldigungen in der Casa Pornello auszusetzen.
»Nun erzähl schon«, drängte Irma. Stella fasste den Inhalt des Telefonats kurz zusammen. Alle legten eine Schweigeminute ein. Teils aus Ratlosigkeit, teils aus Nachdenklichkeit.
Otto wagte als Erster, die Stille zu durchbrechen. »Also, ich weiß nicht, was ihr vorhabt. Ich fahr in die Stadt. Einkaufen.«
»Ich komme mit«, sagte Stella spontan, die auf eine Gelegenheit hoffte, den USB-Stick ungestört lesen zu können. Weder mit Otto noch mit Irma im Rücken. »Ich würde gerne meine E-Mails checken. Kennst du irgendwo ein Internetcafé?«
»Klaro«, sagte Otto. »In der Bar Centrale kannst du den Computer des Wirts benutzen.«
30
Otto liebte Rollenspiele. Abwechselnd gab er den Gourmet, den Ästheten, den Dandy oder den Kunstkenner, dazu trieb er sich gern in den entsprechenden Läden herum, in Delikatessgeschäften, Luxusboutiquen, Hummerfarmen, Weingütern, Galerien. In Pornello gefiel er sich in der Rolle als Landei, entsprechend fremd war die Welt, in die er Stella beim Einkaufen entführte. Als Erstes hielt er vor dem Bauernbedarf. Stellas Bitte, gleich zur Bar Centrale zu fahren, hatte er abgelehnt, seine Einkaufsausflüge folgten immer einer festgelegten Reihenfolge. Zuerst die Besorgungen, dann der Espresso. Er brauchte Neunmillimeterschrauben,Stella vermied es, ihn zu fragen, wofür. Sie wollte ihn nicht in Verlegenheit bringen, wenn er keine Antwort darauf wusste. Sie nahm an, er kaufte sie aus reinem Vergnügen, damit er was zu tun hatte und sich männlich vorkam. Der Bauernbedarfsladen lag in dem Gewerbegebiet, dessen Verkehrskreisel Stella inzwischen eindeutig identifizieren konnte. In ausgesucht spröder Umgebung zu shoppen gehörte auch zum Mannsein dazu. Frauen schauten in dieser Gegend nur beim Schuhdiscounter rein.
Die Baracke, die Otto ansteuerte, war fest in männlicher Hand. Während er mit seinem begrenzten Wortschatz dem Verkäufer im blauen Kittel klarmachte, was er suchte, hatte Stella Zeit, das Warenangebot in aller Ruhe zu betrachten. Jäger konnten sich am laufenden Meter die Tarnnetze besorgen, unter denen die Armeen dieser Welt ihre Panzer verbargen. In der Wühlkiste gab es Ton in Ton dazu passend die ausgemusterten Kampfanzüge der Bundeswehr mit gut leserlichen deutschen Pflegeanleitungen. Insgesamt beschränkte sich das Kleidungsangebot auf strapazierfähige Baumwolle in Grün und Grau. Malerisch eingerahmt von Angelruten, Jagdmessern, Spaten und Gemüsepflanzen der Sorten Endivien, Chicorée, Broccoli und Blumenkohl. Stella gefiel der Laden. Er roch nach Getreide und Düngemittel. Gewehre gab es keine. Trotzdem fragte sie mit Ottos Hilfe den Mann an der Kasse, ob er vielleicht Jagdbekleidung der Marke Holland&Holland führe. Otto sah sie zwar erstaunt an, übersetzte aber brav. Die Fragen sparte er sich für später auf.
Der Mann im blauen Kittel lachte Tränen. »Holland&Holland?«, keuchte er ungläubig.
Stella nickte.
»Das ist nur was für Römer«, übersetzte Otto und fügte ungefragt hinzu »Ist doch für die Bauern hier viel zu teuer.«
»Holland & Holland haben sehr schöne Gewehre«, sagte der Verkäufer.
»Wo kann man die kaufen?«, fragte Stella, was Otto nicht zu übersetzten brauchte, weil er die Antwort selber wusste. »In London, New York und Moskau.«
»In der ganzen Gegend hier gibt es kein Geschäft, das Holland & Holland führt?« Stella schaute demonstrativ den Mann an der Kasse an, damit ihm klar wurde, dass die Frage ihm galt. Er schaute Otto an. Otto übersetzte widerstrebend, weil er nicht als total bescheuert gelten wollte. Beide schüttelten den Kopf. Nein, Holland&Holland gab es in ganz Umbrien nicht zu kaufen. Weder die Gewehre noch das Jagdzubehör.
»Italiener schießen am liebsten mit Beretta«, erklärte Otto, während sie zurück zum Auto gingen.
Stella trug das Tütchen mit Schrauben, er schleppte einen neuen Gartenschlauch auf einem Ständer zum Rollen, dem er nicht hatte widerstehen können. Beneidenswert, wenn man das nötige Kleingeld hat, seinen Kaufgelüsten einfach nachzugeben, statt sie sich ständig verkneifen zu müssen, dachte Stella. »Jochen hat eine Jacke von H&H«, sagte sie. »Hab ich
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