Es sterben immer drei
deutete Luigi nur wortlos auf ein Schild, das in Englisch auf die fehlende Kaffeelizenz der Bar hinwies, weshalb keine Getränke mit der entsprechenden Substanz ausgeschenkt werden dürften. In ihrer neuen, detektivischen Spitzfindigkeit wies Stella den Wirt nicht nur darauf hin, dass einige Gäste sehr wohl vor Espressotassen saßen, sondern deutete auch auf den noch dampfenden Kaffeesatz, den er gerade in einen Abfallcontainer schüttete. Sozusagen in flagranti erwischt. Er hob nur bedauernd die Schultern. Solamente amici . In dem Bestreben, Luigis Freund zu werden, lächelte sie ihn so konsequent an, dass sie befürchtete, dieses krampfhafte Grinsen nie wieder aus dem Gesicht zu kriegen. Sie brauchte ihn eventuell noch, es machte keinen Sinn, ihn mit Rechthaberei zu verärgern. Sie bestellte ein Glas Weißwein. Draußen schien die Sonne, aber Luigi hatte seine Bar verrammelt, als müsste er das Tageslicht fürchten wie ein Vampir. Er stellte ein Glas vor sie hin, goss den Weißwein ein und drehte den Fernseher wieder auf volle Lautstärke. Interessiert verfolgte er drei äußerst knapp bekleidete Frauen, die ihre mit fächerförmigen Federn dekorierten Hinterteile von rechts nach links über den Bildschirm schwenkten. Stella nahm ihr Glas und ging vor die Tür.
Draußen saß die Engländerin, mit Derrida auf ihren Füßen, und hielt ihr Gesicht in die Sonne. Eine müde Hausfrau, die sich ein paar Pfund zu viel angefuttert hatte und einen Friseurtermin gebraucht hätte, Schnitt und Farbe. Aber sie gehörte zu den wenigen Menschen in dieser Gegend, die Stellas Lächeln spontan erwiderten und freundlich Hi sagten. Da nur ein Tisch mit zwei Plastikhockern die Terrassenbestuhlung der Bar ausmachte, fragte Stella, ob sie sich dazusetzen dürfe, und die Engländerin nickte. Eine günstige Gelegenheit, ein Gespräch anzufangen.Stella spürte förmlich den Erwartungsdruck, aber ihr fiel ums Verrecken kein Eröffnungssatz ein.
»Nice weather « , sagte die Engländerin, die offensichtlich nicht mit dem Skrupel geschlagen war, möglichst geistreich die Konversation zu eröffnen.
Auf diesem Niveau konnte Stella mithalten. »Yes«, sagte sie. »Very nice.« Damit war das Wetter erschöpfend behandelt.
»Where do you come from?«, fragte die Engländerin weiter und innerhalb weniger Minuten, hatte sie alles über Stella erfahren, was diese mitteilen konnte, ohne ihr Gegenüber mit zu ausschweifenden Ausführungen zu langweilen.
»Sie wohnen in Ottos Haus«, sagte die Engländerin. »Dann müssen Sie von diesem Mordfall gehört haben. Die Tote war doch sogar eine Freundin von Otto. Hochinteressante Geschichte.«
Stella nickte bestätigend. Jetzt war die Engländerin nicht mehr zu halten. Mit der Eloquenz einer Angehörigen der Nation berühmter Krimischriftstellerinnen klamüserte sie Stella die ihrer Meinung nach schlagende Logik des Falles auseinander. Danach wurde Valerie von ihrem eifersüchtigen Ehemann erschossen, womit sie offenbar Jochen meinte, weil die attraktive junge Frau ihn für einen anderen verlassen wollte, einen erfolglosen Musiker, einen hübschen, begabten armen Schlucker, der ihr zwar nicht den Lebensstil bieten konnte, den sie gewohnt war, aber dafür passte er altersmäßig und auch sonst viel besser zu ihr. Sex and all. Mit ihm hatte sie eine Zukunft. Und welche hatte sie schon mit Jochen. Clean his ass , wie die Engländerin sich ausdrückte. Bei zwanzig Jahren Altersunterschied stand ihr eine Zukunft als Altenpflegerin bevor. Mit dem charmanten Musiker dagegen konnte es nur ein Happy End geben. Entweder er wurde wider Erwarten doch noch berühmt und reich oder er kriegte im letzten Moment die Kurve und eröffnete zum Beispiel einen Schallplattenladen. War ja nur ein Beispiel. Er konnte auch einen Agriturismo führen oder erben oder beides. Aufjeden Fall war mit ihm Valeries Chance, glücklich zu werden, viel größer.
Stella bewunderte die Frauenzeitschriftenphantasie der Engländerin, die ihr noch schrottiger vorkam als ihre eigene, und hakte nach. Ob es denn handfeste Hinweise auf die Existenz besagten Musikers gäbe. Die Engländerin verneinte. Aber in der Kellerbar in Todi, in der Valerie sich immer gern herumtrieb, gab es jede Menge dieser Typen, da hätte sie ohne weiteres einen von ihnen abschleppen können. Stella nickte wieder zustimmend. Die Theorie schien ihr nicht ganz abwegig. Bis auf ein paar unwesentliche Details. Charmante, aber arme Musiker konnten sich weder eine Kellybag
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