Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es sterben immer drei

Es sterben immer drei

Titel: Es sterben immer drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Bus
Vom Netzwerk:
»No, francese«, sagte Cheyenne und zerzauste ihre Palme noch ein bisschen mehr. Bei näherem Hingucken sah man, dass sie sehr wohl Make-up trug, auch wenn es so aussah, als sei sie ein Naturblässling. Nude hieß das im Frauenzeitschriftenslang, in Cheyennes Fall eine unkluge Entscheidung. Das Gesicht kam neben dem selbstbewussten Outfit nicht mehr zur Geltung. Stella kratzte ihr rudimentäres Schulfranzösisch zusammen und log, ihre gute Freundin Valerie habe so von Cheyennes Künsten geschwärmt, dass sie nun auch unbedingt eine französische Maniküre haben müsse, jetzt, da Valerie tot sei. Die Begründung klang merkwürdig, aber die richtigen französischen Worte fielen ihr partout nicht ein. »Pauvre Valerie«, meinte Cheyenne bedauernd. Ein paar Minuten später saß Stella an einem Schleiflacktischchen mit geschwungenen Beinen, das so gar nicht zum stümperhaften Bauhausstil des Ladens passte, und tauchte die Finger in warmes Wasser, wie die Frau inder Prilwerbung aus einer Dokumentation über die Reklame der 60er-Jahre auf BR-alpha. Vom revolutionären Gebrauch von etwas weißer Farbe unter den Nagelrändern mal abgesehen, hatte sich in Sachen Maniküre seither nicht viel getan.
    Während Cheyenne hingebungsvoll feilte, ergab sich das Gespräch von selbst, immer im Fluss gehalten von der Kosmetikerin, der jedes Mal, wenn das Gespräch ins Stocken geriet, ein neues Stichwort einfiel. Stella hörte zu. Ihre leichteste Übung. Sie erfuhr, dass Cheyenne ihren Namen dem Schamanen ihrer Mutter verdankte, mit dem diese seit ihrer Hippiezeit ein enges Verhältnis pflegte. Valerie und Cheyenne hatten sich in der Kellerbar kennengelernt und waren seither Freundinnen, weil sie sich so ähnlich waren. Neugierig, flexibel und mutig. Immer bereit, neue Modeströmungen auszuprobieren. Valerie hatte sich sogar von der besonderen Ästhetik von Silikonnägeln überzeugen lassen. Sie war eine von Cheyennes treuesten Kundinnen geworden. Eine außergewöhnliche Frau, die sich sogar mit der Mafia angelegt hatte. Vor lauter Bewunderung für diesen Mut vergaß Cheyenne weiterzufeilen. Obwohl ihr Bruder Valerie dringend geraten hatte, sich von diesem Thema fernzuhalten. Was ging es sie als Deutsche überhaupt an? Wie viele Nicht-Italiener hielt sie die Rolle der Mafia für viel bedeutender als sie in Wirklichkeit sei. Es mochte ja sein, dass in Sizilien oder Kalabrien böse Dinge geschahen, im Fernsehen sah man das ja immer wieder, aber die Vorstellung, die paar Olivenölbauern Umbriens könnten in Giftmüllskandale, Immobiliendeals oder den internationalen Rauschgifthandel verwickelt sein, war nun wirklich zu absurd. Leider hatte sich Valerie von ihren Überzeugungen absolut nicht abbringen lassen, nicht mal von frère Orlando. Und der musste es ja schließlich wissen. Nachdenklich hatte sie das Feilen wieder aufgenommen, aber man merkte, dass sie nicht ganz bei der Sache war.
    Stella, die bei dem französischen Wort für Bruder immer an Mönche denken musste, mit ›Frère Jacques‹ war sie schon imWaldorf-Kindergarten malträtiert worden, erkannte erst mit Verzögerung, dass Cheyenne keinen Priester meinte. »Frère?«, fragte sie in eine Atempause hinein. »Orlando? Orlando Cavallo?« Nicht weiter verwunderlich, dass Cheyenne nickte. »Bien sur.« In dieser Familie gab es offenbar eine Vorliebe für ungewöhnliche Vornamen.
    »Kannten Valerie und Orlando sich gut?«, fragte sie, nur um sicherzugehen. Die Fotos auf dem USB-Stick hatten die Antwort schon in etwa gegeben.
    Cheyenne enthüllte denn auch, dass die sich nicht nur kannten, sondern sehr verliebt ineinander waren. »Mais c’est top secret«, sagte sie noch. »Orlando ist ja noch verheiratet mit dieser Schlampe. Er hätte sie verlassen für Valerie. Er hatte es vor. Aber dann wurde Valerie ermordet, und jetzt bleibt alles wie immer.« Tränen tropften in das Pril-Wasser. Cheyenne trauerte aufrichtig um Valerie, sie nahm sogar in Kauf, dass tuscheschwarze Sturzbäche die morgendliche Detailarbeit vor dem Spiegel ruinierten. Mit einem Kleenex verwischte sie das Augen-Make-up in Richtung Smoky eyes. »Valerie wäre so eine liebe Schwägerin gewesen.«
    Stella saß ganz still vor lauter Konzentration. Diese Puzzlesteinchen musste sie erst mal eins nach dem anderen aufheben, zu den anderen dazulegen und ausprobieren, wie sie ins Bild passten.
    »Hat er Valerie eine türkisfarbene Kellybag geschenkt?«
    Cheyenne nickte, immer noch schluchzend.
    »Mit 100   000 Euro

Weitere Kostenlose Bücher