Es sterben immer drei
werde sie sich aber strikt nur noch um das Wohlergehen von Luis kümmern. Vom Mordfall Valerie sei sie abgezogen. Sollte er diesbezüglich irgendwelche Klagen hören, werde er ihr auch für die Tage, die sie bislang für die Recherchen in Italien verbracht habe, kein Honorar zahlen. All das versicherte er Jochen ungebeten, in vorauseilendem Gehorsam.
Stella verließ wortlos den Raum
»Um acht Uhr holst du mich hier ab«, rief Otto ihr nach.
Sie nahm den BMW. Sollte er an seinem letzten Abend inUmbrien doch Luis’ Kastenwagen benutzen. Sie war so wütend, dass sie das Auto hochtourig durch die Gänge jagte. Irgendetwas musste sie quälen, um sich abzureagieren, auch wenn nur ein unschuldiges Cabrio ihren Zorn zu spüren bekam.
34
Casa Pornello war leer. Alle unterwegs. Nur Emilia, die Putzfrau, kramte schluchzend in Schränken und Vitrinen. Jochen hatte sie beschimpft, weil er einen bestimmten sweater verde suchte, einen teuren per la caccia , den sie in die Reinigung gegeben hatte, ohne ihn zu fragen. Sie wusste ganz sicher, dass sie ihn im Plastikkorb mit anderer Wäsche aus der Wäscherei geholt hatte, aber nun war er verschwunden und Jochen hatte ihr die Schuld gegeben.
Stella, so weit beruhigt, um wieder ein normales Gespräch führen zu können, ohne Gefahr, entweder zu schreien oder zu weinen oder beides gleichzeitig, wurde wieder ganz aufgeregt. Dieses Mal aber, weil Emilia vielleicht die Fleecejacke suchte, an der sie selbst ein investigatives Interesse hatte. Krampfhaft kramte sie in ihrem Gedächtnis nach dem italienischen Wort für Knochen. Sie hatte es schon mal gehört, weil Luca einen harten Knochen zu nagen hatte. Aber dann half ihr doch das jahrelange Redigieren von Kochrezepten weiter. »Avec uno osso at il zipper?«, fragte sie kosmopolitisch und hoffte, dass dies einigermaßen verständlich war. Osso wie Osso buco. Emilia nickte schluchzend, ohne sich weiter über Stellas sprachliche Eigenwilligkeiten zu wundern. Sie arbeitete viel bei Ausländern, sie war das gewohnt. Stella bemühte sich so lange, ihr zu erklären, sie könne bezeugen, dass Emilia die Jacke im Korb hatte, ihr sei das aufgefallen, weil Derrida so interessiert wie an seinem Fressendaran geschnuppert habe, bis diese verstand und sie dankbar anlächelte. Mit ihren überlangen, roten Fingernägeln hielt sie dabei gespreizt einen Zipfel ihres paillettenbestickten T-Shirts fest, um sich die Tränen aus den Augen zu wischen. Aber wo die Jacke abgeblieben sein könnte, wusste sie auch nicht. Stellas Vorschlag, gemeinsam danach zu suchen, lehnte sie ab. Sie hatte selbst schon die Casa auf den Kopf gestellt, nur ins Jagdstüberl, sie benutzte tatsächlich den bayerischen Diminutiv, wenn auch mit ungelenker Aussprache, hatte sie sich nicht vorgewagt. Das durfte sie nur mit Sondererlaubnis betreten. Aber sie nahm nicht an, dass Jochen das Kleidungsstück höchstpersönlich dort hinuntergetragen und dann vergessen hatte.
Sie schluchzte immer noch über die ungerechte Behandlung. Die roten Fingernägel umklammerten den T-Shirt-Zipfel als Taschentuchersatz. Aus Sorge, Emilia könnte sich damit in ihrem Selbstmitleid auch noch die Nase schnäuzen, aber auch aus dem mitfühlenden Bedürfnis heraus, Jochens gebeutelter Putzfrau zum Trost ein paar nette Worte mit auf den Nachhauseweg zu geben, deutete sie auf die makellose Maniküre. Fantastico. Leider war ihr italienisches Vokabular für Begeisterung damit restlos ausgeschöpft.
Emilia lächelte erfreut, wenn auch etwas ungeübt und hielt Stella alle zehn Finger hin, wie ein Hund, der Männchen macht. »Cheyennes Hair and Nails«, sagte sie stolz.
Stella setzte fast das Herz aus. »Cheyenne?«
»Si. Via San Fortunato, Todi.«
Stella hätte fast einen Indianertanz mit Freudengeheul angestimmt und einen imaginären Tomahawk geschwenkt. Der Tag hatte doch noch ein glückliches Ende gefunden.
Wieder ein Plätzchen für ein Puzzlesteinchen entdeckt.
35
Am nächsten Morgen setzte Stella ohne größere Zwischenfälle einen wortkargen Otto auf dem Flughafen von Rom ab, versprach ihm mit heimlich gekreuzten Fingern, sich nur noch um Luis’ Wohlbefinden zu kümmern, und ließ auf dem Rückweg die Gedanken in ihrem Kopf von Ast zu Ast hüpfen. Einerseits brauchte sie unbedingt Geld, und es gab diese Drohung von Otto, ihr nicht einmal ein Ausfallhonorar zu zahlen. Ohne Honorar konnte sie sich auch keinen Anwalt leisten, um das Honorar einzuklagen. Andererseits, warum sollte sie sich von der
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