Es sterben immer drei
durchgesabberten Lappen versteckte. Eine Mischung aus schlechtem Gewissen und der Bereitschaft, sich beim geringsten Anlass zur Wehr zu setzen. Auch nur ein armes Schwein, dieser Mafioso.
Stella unterdrückte den Impuls, ihn fast irgendwie bemitleidenswert zu finden. »Ich würde gerne wissen, wer Valerie ermordet hat.«
Ohne Übergang fing Orlando zu weinen an. Auch das schien ein Familiencharakteristikum zu sein. Der schwere Mann bebte wie ein Fels unter starken Erschütterungen und gab sein Inneres frei, das sich in sanftem Regen einen Weg nach außen bahnte. Er sah aus, als müsste ihn jemand dringend in die Arme nehmen. »Ich habe sie geliebt«, sagte er und sah Stella mit nassen Augen an. »Sie war mit meinen Babys schwanger. Ich wollte sie heiraten. Ich wollte mit ihr zusammenleben, bis der Tod uns scheidet. Das alles wäre nicht passiert, wenn sie Ja gesagt hätte.« Er holte ein großes, gebügeltes, blitzsauberes Taschentuch aus seinen ausgebeulten Bermudashorts. »Ich hätte sie beschützt. Sie würde jetzt noch leben, wenn sie nur Ja gesagt hätte.«
Stella fand diese Geschichte eines Mannes, der mit dem Wort »Sniper« auf dem T-Shirt eine gewisse geistige Haltung vermuten ließ, nicht wirklich überzeugend. »Warum hat Valerie Ihnen dann einen Erpresserbrief geschrieben?«
Orlando schnäuzte sich ausgiebig. »Sie wollte 100 000 Euro von mir, um Jochen zu verlassen und in die USA auszuwandern. Ein neues Leben beginnen. Ohne mich, aber mit meinen Babys.« Er klang noch immer, als könne er es nicht glauben,dass jemand seine Vaterschaftsansprüche dermaßen zu ignorieren wagte.
Stella fand, er sah nicht aus wie ein Typ für einen Samenraub. Wenn Valerie sich in Torschlusspanik hatte schwängern lassen wollen, hätte sie wesentlich attraktivere Möglichkeiten auftun können. Finanziell und auch sexuell.
»Warum hat sie nicht ihren Vater gefragt? Der ist doch reich.«
»Sie kam mit ihrem Vater nicht gut klar.«
Eine nachvollziehbare Erklärung. Enkel von einem Mann mit so zweifelhaftem Ruf wie Orlando hätte der alte Graf Kollwitz wohl niemals akzeptiert. Jochen entsprach sicher mehr seinen Vorstellungen einer standesgemäßen Verbindung für seine Tochter. Trotz des fehlenden Adelstitels.
Die nächste Frage versuchte sie so höflich wie möglich zu formulieren. »Haben Sie Valerie getötet, weil sie von ihr erpresst wurden?«
Er schaute sie so verständnisvoll an, als sei dies eine naheliegende Möglichkeit. »Sie hat mir gedroht, alles meinem Vater zu erzählen, weil sie dachte, damit hätte sie mich in der Hand. Wie verrückt sie doch war. Mich mit dieser absurden Drohung erpressen zu wollen. Sie konnte es einfach nicht fassen, dass es einen Mann gibt, der sie einfach nur liebt und mit ihr leben will. Aber so war sie. Völlig kaputt von dieser gefühllosen deutschen Familie, in der sie aufgewachsen ist. Ich habe den Spieß einfach umgedreht und meinem Vater alles erzählt. Er liebt mich. Er gab mir die 100 000 Euro, damit ich sie ihr schenken kann. Ich wollte ihr Zeit geben, alles zu überdenken, ihr eine Atempause verschaffen. Sie hätte nach kurzer Zeit doch sowieso eingesehen, dass ich der Mann ihres Lebens bin, und wäre freiwillig zu mir zurückgekehrt. Ich bin der Mann, der sie beschützen kann. Bei mir wäre sie sicher und geborgen gewesen. Auf immer und ewig. Genau das, was sie suchte und brauchte. Mein Vater hat sich so auf die Zwillinge gefreut. Sie wäre in eine herzliche große Familie gekommen, sie wäre unsere Königin geworden.«
Bei dem Wort queen nickte Cheyenne energisch.
Orlando redete in einem unaufhörlichen Fluss, als läge er bei Freud persönlich auf der Couch. Ihm schien es egal zu sein, ob jemand zuhörte, Hauptsache das angestaute Gefühlskuddelmuddel durfte endlich raus. Ausgeschwemmt von den Tränen, die immer noch flossen.
»Ich dachte, die italienische Kirche verbietet Ehescheidungen?«
»Mein Papa hat gute Beziehungen«, wischte Orlando den Einwand weg. »Aber Valerie wollte nichts mehr von mir wissen, nur noch das Geld haben. Also bin ich auf ihr Spiel eingegangen. Habe ihr das Geld zur verabredeten Stelle gebracht und versucht, sie noch einmal zu überzeugen, zu meiner Familie zurückzukommen. Ich habe ihr versichert, dass es ihr gutgehen wird und sie tun und lassen kann, was sie will.«
»Hätte sie auch über gepanschtes Olivenöl schreiben dürfen?«
»Sie hat überall die Mafia gewittert, das war eine fixe Idee von ihr. Aber so war sie nun mal.
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