Es sterben immer drei
drin?«
Cheyenne hörte schlagartig zu weinen auf. »Cash?«, fragte sie erstaunt.
»Die Polizei hat in Valeries Besitz die Handtasche gefunden, mitsamt 100 000 Euro«, erklärte Stella und hoffte, damit kein Ermittlungsgeheimnis zu verraten und Lucas Arbeit zu erschweren. Aber sie musste schließlich zu Ergebnissen kommen, sonst machte Otto seine Drohung wahr und warf ihre Honorarrechnungin den Papierkorb. Was konnte sie dafür, dass die Polizei so langsam war?
»Orlando ist sehr großzügig, aber so viel Geld hat er nicht. Er arbeitet im Unternehmen meines Vaters und bekommt ein ganz normales Gehalt. Seine Frau hat geerbt, da er sie aber wegen Valerie verlassen wollte, wird sie ihm wohl kaum etwas geliehen haben.«
Stella seufzte. In dieser Geschichte gab es einfach zu viele Verwicklungen. Sie brachte ihren letzten Trumpf zum Einsatz. »Valerie soll schwanger gewesen sein. Haben Sie das auch gehört?«
Jetzt weinte Cheyenne wieder. »Deswegen wollte mein Bruder seine Frau doch verlassen und Valerie heiraten.«
Verflixt noch mal. Das passte alles nicht zusammen. Warum hatte Valerie dann eine Art von Erpresserbrief an Orlando geschrieben? Er wollte sie heiraten, aber sie ihn nicht, stattdessen verlangte sie 100 000 Euro von ihm und bekam sie auch. Da blickte doch kein Mensch mehr durch. In diesem Chaos konnte nur einer helfen. Sie betrachtete Cheyennes gesenkten Kopf, die sich wieder auf ihre Arbeit an Stellas Fingernägeln konzentrierte. »Ich würde gerne ihren Bruder treffen«, sagte sie. »Könnten sie das für mich arrangieren?«
36
Ohne sich groß mit irgendwelchen Präliminarien aufzuhalten, zum Beispiel mit der Frage, ob seine Gäste etwas trinken wollten, ließ Orlando sich auf die Ledercouch fallen, in derselben breitbeinigen Manier, die Stella schon in der Kellerbar aufgefallen war, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Als ob der Platz zwischen den Oberschenkeln zu klein war für seine Erzeugerausstattung. Nur die Frau, der er besitzergreifend andie Brüste fassen konnte, fehlte. Nach einem für die männliche Mafia-Elite offenbar obligatorischen Schuljahr bei Verwandten in den USA sprach er besser Englisch als Stella. Cheyennes Anruf hatte ihn in einem günstigen Moment erwischt. Seine Frau, la putain , um die Wortwahl seiner Schwester zu benutzen, war für ein paar Tage zu ihren Eltern gereist, um ihrem Mann Gelegenheit zu geben, sein Innenleben zu sortieren, und so durfte Stella ihn treffen, in seinem Haus am Rande einer Kleinstadt mit einem so komplizierten Namen, dass eine Journalistin mit beginnendem Alzheimer ihn sich nicht merken konnte. Cheyenne parkte ihren Mini vor einem neuen, großzügigen Klinkerbau mit Terrassen, Erkern, Balkonen und Rundbögen in alle Himmelsrichtungen. Die Fenster gegen die weit verbreitete italienische Lichtallergie mit Jalousien dicht gemacht. Vor dem Zaun versperrte ein VW Tuareg, das Lieblingsauto wohlhabender Menschen mit Ambitionen auf Nachwuchs, den Blick in den Garten. Im Halbdunkel des Wohnzimmers konnte Stella alles erkennen, was dank amerikanischer Mafiakomödien weltweit als neureiche italienische Inneneinrichtung Maßstäbe setzte. Rosa Ledersofas, mit vielen Kissen auf gemütlich getrimmt, Essecke aus Plexiglas mit vergoldeten Kanten und riesige Plastikblumengestecke in Fayencevasen. Orlandos Frau hatte sich von Hollywood ungeniert inspirieren lassen. Orlando bewegte sich so tapsig in dieser Umgebung, als sei er innerlich auf der Hut, um ja keine Porzellanerdbeere und keinen Kristallschwan zu zertrümmern. Das war seine Welt, sie gehörte ihm, er fühlte sich wahrscheinlich sogar darin zuhause, aber wohl war ihm nicht dabei.
Stella betrachtete ihn und fragte sich verblüfft, was Valerie dazu getrieben hatte, mit diesem ganz und gar enttäuschenden Latin Lover ins Bett zu gehen. Und nicht nur das. Sich sogar noch von ihm schwängern zu lassen. Als gäbe es heutzutage nicht diverse Verhütungsoptionen, die auch minder intelligente Menschen problemlos anwenden könnten.
Auf den weiß gerahmten Hochzeitsfotos auf einem Beistelltisch erkannte sie in Orlandos Ehefrau die Dame aus der Bar wieder. Auch sie mit der gleichen Palme wie Cheyenne, ein Familiencharakteristikum der Cavallos wie schlechter Geschmack und ungewöhnliche Vornamen. Cheyenne schnatterte etliche Minuten auf ihren Bruder ein, bis er nickte. Dann schwieg sie erst mal. »Was wollen Sie wissen?«, fragte Orlando und sah Stella mit dem gleichen Blick an wie Derrida, wenn er seine
Weitere Kostenlose Bücher