Es sterben immer drei
nicht nur diverse Projektile zutage förderte, sondern auch ein kleines Schloss mit der Inschrift »Hermès«, in dem noch der Schlüssel steckte. Außerdem war eine Nummer in das winzige Vorhängeschloss eingraviert. Wie beide Sekretärinnen in der Caserma sofort erkannten,die Seriennummer einer Hermès-Tasche. Leider arbeiteten die Kollegen in Paris etwas langsam, und so hatte man erst an diesem Morgen erfahren, dass die Nummer auf dem Schlüssel tatsächlich mit der Seriennummer der türkisfarbenen Kellybag übereinstimmte. Sie war in der Hermès-Filiale in Rom verkauft worden. In der Kreditkartenabrechnung des Käufers tauchte der gleiche Name auf wie in dem Bericht der Spurensicherung über die Fingerabdrücke auf Tasche und Geld. Aufgrund früherer Ermittlungen spuckte der Computer in einer Hundertselsekunde alles Nähere über Cavallo junior aus. Bingo. Der Commissario konnte ein stolzes Lächeln nicht unterdrücken.
Cheyenne war von der Verkäuferin in Rom auf einem Foto als Orlandos Begleiterin identifiziert worden, die ihn zum Kauf der türkisfarbenen Tasche überredet hatte, obwohl Orlando eine pinkfarbene bevorzugte. Nach einem erregten Streitgespräch im Laden hatte er sich ihrer Entscheidung als Expertin in Sachen Mode gebeugt.
Der Commissario verabschiedete sich liebenswürdig und gab Stella seine Visitenkarte. Für alle weiteren Fragen möge sie sich bitte jederzeit an ihn wenden.
Kaum waren zwei der Autos mitsamt dem Einsatzkommando verschwunden, fand Luca seine Sprache wieder, keineswegs in liebenswerter Manier. Er packte Stella so hart am Arm, dass sie zu spüren glaubte, wie sich die Hämatome ansammelten. So ist das in einem Krimi, dachte sie, es gibt blaue Flecken statt Knutschflecken. »Bist du verrückt«, fauchte er. Stella wartete neugierig, ob kleine Rauchwölkchen aus seinen Nüstern aufsteigen würden, wie auf den Drachengemälden mittelalterlicher Horrorszenarien. »Du wanderst in Lebensgefahr.« Wenn er wütend war, ließen ihn seine Deutschkenntnisse an den putzigsten Stellen im Stich. Sie musste lächeln, was ihn aber nur noch mehr aufregte. »Was hast du hier zu suchen?«
Sie fragte sich, wie er reagieren würde, wenn er von der Existenz des USB-Sticks erfuhr. Da sie befürchtete, damit erstrecht seinen Ärger anzustacheln, vertagte sie dieses Experiment auf später. »Och«, sagte sie, »ich habe eins und eins zusammengezählt. Es haben einfach zu viele Leute Valerie und Orlando zusammen gesehen.« Das entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit, aber solange sie keine Zeugen nennen musste, war das egal.
»Wer?«
Sie schaute ihn mit leicht abwesendem Blick an, als müsste sie in ihrer Erinnerung nach den Namen graben. Sie hoffte, dass ihre Schauspielkünste dafür ausreichten. »Marlene, glaube ich. Und Katharina. Wir haben ihn einmal in einer Kellerbar gesehen. Aber sie ahnten nichts vom Verhältnis der beiden. Das habe ich gerade erst erfahren.«
»Interessant«, schnaubte er. Einem Drachen würden jetzt Stichflammen aus den Nüstern lodern.
»Ja«, sagte sie fröhlich. »Und stell dir vor, er ist sogar der Vater der Zwillinge.«
Er schubste sie von hinten in den Rücken, als sei sie ein widerspenstiger Ganove, den er gefügig machen musste. Sie hob entschuldigend beide Hände in die Höhe, als Zeichen ihrer Friedfertigkeit. »Ich kann doch nichts dafür. Das hat er mir gerade erzählt. Er war froh, endlich alles loszuwerden.«
»Wir sprechen uns noch«, zischte er und ging auf den inzwischen wohlbekannten Carabinieri-Fiat zu. »Später.«
»Warte.« Stella konnte gar nicht so schnell hinter ihm herrennen wie er im Auto verschwand. Sie musste ihm unbedingt noch alle anderen hochinteressanten Informationen mitteilen, was sie schon seit Tagen versucht hatte. »Ihr habt den Falschen. Orlando hat mit dem Mord nichts zu tun.« Sie geriet leicht außer Atem. »Es gibt da dieses H&H-Futteral, außerdem hat Jochen …«, rief sie während er das Auto startete, »… eine ukrainische Büroklammer an seinem Reißverschluss.« Er war nicht zu stoppen. »Das sind doch alles wichtige Beweise!«
Er wendete den Wagen und ließ gleichzeitig das Fenster an der Fahrerseite herunter. »Die Fleecejacke haben wir längstuntersucht.« Er bemühte sich nicht mal um einen halbwegs freundlichen Ton.
»Ein Futteral mit den Initialen I. B. …«, rief sie. Jetzt nur nicht aufgeben. Dranbleiben. Sie konnte nicht anders. Egal, was er von ihr hielt.
Luca beachtete sie nicht.
»I. B. wie Igor
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