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Es sterben immer drei

Es sterben immer drei

Titel: Es sterben immer drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Bus
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womöglich wirklich ein einsames, ungeliebtes kleines Mädchen gewesen, eines, das schon unter seinen schnöseligen Mitschülern im Eliteinternat üben musste, sich in Szene zu setzen, damit es überhaupt wahrgenommen wurde.
    Andererseits war bei der erwachsenen Valerie nichts mehr von einem Hascherl übrig geblieben. Ganz im Gegenteil. Bevor sein Mitleid mit der armen Valerie ihn übermannen konnte, erzählte sie dem Maresciallo von dem beneidenswerten Selbstbewusstsein des Mordopfers, das auch ignorante Männer und Niederlagen im Job völlig unbeschadet überstand. Bis zu einem gewissen Grad bewunderte sie Valerie dafür, gab Stella sogar zu. Dass sie selbst immer noch täglich einen schweren Kampf gegen Schüchternheit und Empfindlichkeit ausfocht, verriet sie ihm dagegen nicht. Stattdessen wies sie auf das kleine von zwischen Vor- und Nachnamen hin, Valerie von Kollwitz, das zwar unauffällig sein mochte, aber für die Charakterbildung immens wichtig war. Ihre adelige Abstammung, seit 1494 urkundlich vermerkt, hatte Valerie gern in Unterhaltungen eingeflochten und gleich noch hinzugefügt, dass ihre Familie irgendwann zwischen 1494 und heute für die treue Finanzierung von kaiserlichen Schlachten mit einem Aufstieg belohnt worden war, was Valerie den Titel »Gräfin von Kollwitz« im Pass schenkte. Eine Tatsache, mit der sie zwar nicht protzte, die sie aber auf unnachahmlich diskrete Weise trotzdem mitteilen konnte. ZumBeispiel, indem sie locker illustre Namen aus ihrer weitverzweigten Verwandtschaft ins Gespräch streute und hinzufügte: »Meine Familie hat schon Seide aus China importiert, da hat sich der Rest Europas noch im zotteligen Fellschurz auf den Bäumen rumgetrieben.« Diese feine lange Tradition sorgte für ein familienbedingtes Urvertrauen, das Jahrhunderte Zeit hatte, sich in die Gene einzubrennen. Das konnte von einer schnöden bürgerlichen Gesellschaft nicht erschüttert werden. Egal, wie bösartig sie sich anstellte.
    »Es musste also ein Mord passieren, um sie auszubremsen?«, fragte der Maresciallo und nippte an seinem Nierentee, den Irma in Ottos Küchenschränken gefunden und für ihn aufgebrüht hatte.
    Stella war sich nicht ganz sicher, was er mit »ausbremsen« meinte. »Beruflich oder privat?«, erkundigte sie sich.
    »Beides.«
    Nun, Valerie plagte sich nicht lange mit den Mühseligkeiten des Schreibens, obwohl sie sich als Autorin mit Kontakten in die feinsten Kreise die Jobs bei Frauenzeitschriften hätte maßschneidern lassen können. Chefredakteurinnen schmückten sich gern mit ihrem schicken Namen im Heft. Valerie Gräfin von Kollwitz. Das drückte Kompetenz aus, wenn es um Insiderinformationen aus auflagefördernden Bevölkerungsgruppen ging. Ihre Artikel waren von unterschiedlicher Qualität. Musste sie über andere schreiben, gelangen ihr selten mehr als wirre, uninspirierte Aufsätze, durfte sie aber sich selbst in den Mittelpunkt stellen, entwickelte sie eine erstaunliche Eleganz beim Formulieren und war manchmal richtig witzig. Trotzdem verabschiedete sie sich nach ein paar Jahren aus der anstrengenden Medienbranche und wechselte als Artconsultant zu einer großen, weltweit agierenden Galerie. Auch eine Szene, die von Kontakten, Selbstbewusstsein und beeindruckenden Namen lebt. Folgerichtig erregte Valerie auch im Kunstzirkus Aufsehen.
    »Und dann kam Herr Wilke?« Der Maresciallo legte mit demInstinkt des erfahrenen Ermittlers den Finger an Valeries einzige sensible Stelle. Jeder sagte ihr eine große Karriere voraus, und sie bemühte sich eifrig, aber gleichzeitig träumte sie von einem Leben an der Seite eines reichen Mannes. Einer, der sie aus der Mühsal der täglichen Fronarbeit erlöste. »Die ganz normale weibliche Schizophrenie«, fasste Stella Valeries Dilemma zusammen. Als der reiche Mann in Gestalt von Jochen Wilke dann an der Angel zappelte und sich beschwerte, weil sie fast mehr als er selbst in der Welt herumjettete, ordnete sie ihre Prioritäten neu. Sie gab ihren Job auf und führte seitdem das angenehme Leben einer Luxusfrau in einer 300-qm-Wohnung in Bogenhausen. Einer Luxusgeliebten, um genau zu sein, denn Jochen Wilke war noch verheiratet und dachte nicht daran, sich scheiden zu lassen und noch mal in die gleichen Kalamitäten zu geraten wie schon mit seiner ersten Frau. Sehr zum Ärger von Valerie, die gewohnt war, alles zu bekommen, was sie sich in den Kopf setzte. Am leichtesten von Männern.
    »Interessant«, sagte der Maresciallo. Stella schaute ihn

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