Es sterben immer drei
anklebten. Aber zu ihm passte es, vielleicht weil er Italiener war und außerdem Polizist. Deshalb verzieh sie ihm auch die auf die Stirn geklemmte Sonnenbrille. Ein römischer Gladiator konnte alles tragen. Er war nicht sehr groß, aber auch nicht klein und bewegte sich mit jener selbstverständlichen Eleganz, die sich entwickelt, wenn ein Halbwüchsiger jeden Tag zum Sonnenuntergang einen mittelalterlichen Corso rauf und runter schlendert, immer im Bestreben, den Mädchen zu gefallen. Sie überlegte, warum sie noch nie mit einem Italiener geschlafen hatte. Es fehlte eindeutig einer in ihrer Sammlung und der hier wäre ein gutes Exemplar. Während er die Natur bewunderte, betrachtete sie ihn noch einmal heimlich. Und wieder drehte er sich unvermittelt um, als hätte er ihren Blick gespürt, und schaute ihr in die Augen. Es gelang ihr nicht rechtzeitig, den Kopf wegzudrehen. Verdammt, schon wieder erwischt. Sie wurde rot, nur ein bisschen, wie sie hoffte, und befürchtete gleichzeitig, er könnte Gedanken lesen. Er lächelte noch einmal und schloss das Flirten damit ab, bevor es begonnen hatte.
»Was für eine Frau war Valerie?«, fragte er, nun ernst und offiziell. Stella lehnte sich auf der Bank zurück, schloss die Augen und hielt ihr Gesicht in die Sonne. Ganz gegen ihre übliche misstrauische Grundhaltung hatte sie bei dem Maresciallo nicht das Gefühl, mit ihren Auskünften vorsichtig sein zu müssen. Sie spürte eine völlig unbegründete Vertrautheit. Vielleicht weil er Polizist war, dein Freund und Helfer, dazu da, den Mord an Valerie aufzuklären. Dabei würde sie ihn unterstützen, so gut sie konnte. So offen und ehrlich, wie es ihr möglich war. Auch wenn es bedeutete, sich selbst mit gewissen Schwächen und Ängsten zu outen. Denn ist nicht jede Charakterisierung, jeder Blick auf einen anderen, jede Einschätzung, davon abhängig, was man selbst für ein Mensch ist?
Sie erzählte ihm, dass sie an Valerie die Leichtigkeit bewunderte, mit der sie das Leben genoss. Sonniges Gemüt fiel ihr immer als Bezeichnung ein. Die Furcht, sich zu blamieren, war ihr fremd. Sie fand auch nichts dabei, die Kontrolle über sich zu verlieren. Mittels Alkohol zum Beispiel. Valerie merkte im Laufe eines Abends nie, wie viel sie trank. Sie ließ sich nachschenken und schenkte sich selber ein, wenn der Gastgeber nicht schnell genug nachkam. Sie war lustig und offen, lachte viel, redete schnell, als müsste sie nie überlegen, und irgendwann im Verlauf des Abends fing sie immer deutlicher an zu lallen. Sie spürte nie eine Grenze oder zumindest beachtete sie die Grenze nicht, hinter der die Gefahr lauerte, sich lächerlich zu machen, zum Gespött zu werden für alle Anwesenden. Sie konnte sich ohne Bedenken die Kante geben. Wenn ihre Erinnerung sie am nächsten Tag im Stich ließ und sie nicht mal mehr wusste, ob sie mit irgendeinem Kerl im Bett gelandet war, geschweige denn, was sie dort getrieben hatte, lachte sie darüber. Stella wurde nach drei Gläsern Wein schlecht. Ab dem Moment trank sie nur noch Wasser. Sie erinnerte sich immer an jedes Detail, erst recht am nächsten Morgen. Da war es sehr unwahrscheinlich, mit unmöglichen Männern in kompromittierende Situationen zu geraten. Valerie verließ sich auf die Gnade des Vergessens. Du musst dir die Typen schöntrinken, hatte sie Stella mehr als einmal lallend empfohlen. Leichter gesagt als getan.
Der Maresciallo nickte. Die Beschreibung passte zu dem Bild, das andere schon von Valerie gezeichnet hatten. Er kannte auch Katharinas Gemälde von ihr. »Sie war sehr hübsch«, stellte er fest. »Und sie kam aus einer guten Familie. Aber wissen Sie, was merkwürdig ist? Weder ihr Vater noch ihre Mutter sind daran interessiert, hierherzureisen und sich um ihre tote Tochter zu kümmern.« Er schüttelte den Kopf, als könne er diese Gefühlskälte nicht verstehen.
Stella ahnte zumindest die Gründe dafür. »Sie mochte ihren Vater nicht. Er ist reich, aber er interessierte sich nicht für sie. Siehat ihn nach der Scheidung der Eltern kaum gesehen. Er finanzierte ihren Internatsaufenthalt in England und das Studium. Trotzdem fühlte sie sich von ihm im Stich gelassen.«
»Und ihre Mutter?«
»Die war noch dreimal verheiratet und froh, dass sie Valerie ins Internat abschieben konnte.«
» Poverina .«
Stella behielt die Zweifel an dieser Schlussfolgerung für sich, denn vielleicht stimmte sie ja. Auf dem Grund ihrer Seele, da, wo sich die Wahrheit versteckte, war Valerie
Weitere Kostenlose Bücher