Es sterben immer drei
verwirrt.
»Valerie und ich kannten uns von früher, und als wir von dem Mord hörten, wollten wir natürlich wissen, wo es passiert ist«, sagte Stella, die verstanden hatte, dass der Maresciallo nurwissen wollte, wieso sie die genaue Lage des Platzes kannten. »Die Leute im Dorf haben uns erzählt, wo sie gefunden wurde.«
Sculli nickte verständnisvoll. »Ja, eine sehr schlimme Geschichte. Aber sie sollten jetzt in ihr Haus zurückgehen. Meine Kollegen kommen vielleicht zurück, um weiterzusuchen.« Er wandte sich an Irma. »Mein Auto steht auf der Straße dort oben. Darf ich sie nach Hause bringen?«
Irma war sofort einverstanden, nicht weil sie sich nicht zugetraut hätte, den Fußmarsch zurück auch noch zu schaffen, sondern weil sie ein großes Herz für attraktive, junge Männer hatte. Ihre Enttäuschung, als er Stella »Sie kommen auch mit« befahl, ließ sie sich nicht anmerken. Luis zog es vor, gemeinsam mit dem Hund zu laufen.
Den ganzen Weg zurück behandelte der Maresciallo Irma mit ausgesuchter Höflichkeit. Hielt ihr den Hang hinauf diskret seinen Arm hin, damit sie sich festhalten konnte, wenn sie eine Stütze brauchte, half ihr beim Einsteigen in den Carabinieri-Fiat und entschuldigte sich für die Unordnung auf der Rückbank, die er schnell unter den Sitz verlagerte. Irma strahlte sichtlich über das Abenteuer, in einem Polizeiauto mitzufahren, noch dazu in einem italienischen. Im Geiste sah sie sich schon am Stammtisch die Anekdote zum Besten geben. Frau Geyer, die alte Übelkrähe, würde vor Neid platzen. Sie nahm selbstverständlich vorn Platz. Stella setzte sich nach hinten, die Füße auf dem Aktenordner mit der Aufschrift V. v. Kollwitz , der, wie sie annahm, interessante Details über den Mord enthielt, die sie wahnsinnig gern gelesen hätte. Ihr einziger Trost war, dass sie sowieso kein Italienisch konnte. Als Irma in gewohnter Hartnäckigkeit die Sprache auf die Deutschkenntnisse des Maresciallo brachte, horchte sie auf und erfuhr, dass sein Vater in Memmingen eine Pizzeria betrieben hatte und der kleine Luca einen Großteil seiner Kindheit dort verbrachte, bis er in Kalabrien aufs Gymnasium geschickt wurde. Nach Memmingen kam er danach nur noch in den Schulferien. Als er sich später für eineLaufbahn bei den Carabinieri entschied, wurde er nach Rom versetzt. »Aber Deutschland ist immer noch meine große Liebe«, beruhigte er Irma. Stella kannte etliche Geschichten über die Mafiaverbindungen kalabrischer Pizzeriabesitzer, besonders im Allgäu, fand es aber unfair, den Maresciallo in Sippenhaft zu nehmen, nur weil er zufällig aus einer verdächtigen Gegend stammte. Irma hingegen war begeistert. »Kalabrien. Dann sind Sie ja ein feuriger Süditaliener.«
Sculli lachte. Er fuhr schnell und konzentriert Serpentinen rauf und runter, es ging meistens durch den Wald. Irma bat ihn, das Blaulicht einzuschalten, nur für ein paar Sekunden, und er tat ihr lächelnd den Gefallen. Von ihrem Sitz aus konnte Stella ihn unauffällig betrachten. Er hatte ein schönes Profil mit einer leicht nach unten gewölbten, edlen Nase, die Haut spannte straff über den Wangenknochen. Ihr gefiel, was sie sah. Sie erinnerte sich, diese Art Gesicht schon öfter bewundert zu haben. In der Münchner Antikensammlung, als Marmorstatue römischer Gladiatoren. Einmal zeigte er auf eine Abzweigung, »dort wohnte Valerie«, aber man sah nichts. Nach zehn Minuten waren sie wieder vorm Haus. Irma lud ihn zu einer Tasse Kaffee ein. Er fragte, ob er auch Tee haben könnte, grün, schwarz oder Kräuter sei egal, nur von Kaffee bekomme er immer Sodbrennen. Natürlich nickte Irma und er nahm gern an. Als er die Hintertür des Autos öffnete, damit Stella aussteigen konnte, hob er plötzlich den Kopf und schaute ihr so intensiv in die Augen, dass sie fast erschrak. Aber er lächelte. Das machte er gut. Von Luis war noch nichts zu sehen.
»Hübsch hier«, zitierte Sculli Irmas Spruch und nahm an dem Tisch hinterm Haus Platz, den verwilderten Olivenhain im Blick, wo Brombeer- und Hagebuttensträucher sich mitleidlos die alten Olivenbäume einverleibten. Über den Baumwipfeln auf den umliegenden Hügeln glänzten einzelne Häuser wie Petit Fours in der Nachmittagssonne. »Die Deutschen wählen die Plätze nach der Schönheit. Die Italiener möchten mit demAuto bequem hinfahren.« Er schmunzelte. Stella fand ihn sehr sympathisch, obwohl sie sonst nicht sehr auf Männer stand, die ihre Haare nach hinten kämmten und mit Pomade
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