Es sterben immer drei
Intelligenzbestie.
»Derrida gehört Luigi, dem Wirt von der Bar Centrale«, klärte Luis die Besitzverhältnisse. »Ein lupenreiner Lagotto Romagnolo mit ellenlangem Stammbaum. Die sind berühmt für ihre feine Nase.«
»Derrida kommt ganz schön rum«, sagte Stella. Der Hund wedelte bei der Erwähnung seines Namens mit dem Schwanz, ohne seine Suche zu unterbrechen.
»Er ist sehr beliebt, geht gern spazieren und frisst sich so durch«, sagte Luis. »In vielen Häusern fallen immer wieder Leckerlis für ihn ab.«
»Deswegen ist er so fett«, meinte Irma.
»Am Tag, als er Valerie fand, hat er Emilia, die Frau des Wirts, so lange angekläfft, bis sie ihm zu dieser Senke folgte. Der Mörder hat Valerie unter Laub und abgeholzter Macchia versteckt. Emilia verständigte dann die Polizei. Die ging zuerst von einemSexualverbrechen aus, aber den Verdacht hat der Gerichtsmediziner schon ausgeschlossen.«
»Hätte der Hund sie nicht gefunden, würde sie dort wahrscheinlich immer noch vor sich hin rotten«, sagte Irma. Alle drei schwiegen im Andenken an die arme Valerie. Die Sonne brannte auf höchster Stufe. In der Ferne hörte man das Brummen schwerer Bulldozer. Die Arbeiter hatten ihr Vernichtungswerk in einem anderen Gebiet aufgenommen, entweder weil sie in dieser Ecke fertig waren oder weil die Polizei vorübergehend die Arbeiten am Fundort eingestellt hatte.
»Wenn der Mörder Valerie hierhergeschleppt hat, musste er sich ziemlich abrackern«, sagte Stella. »Sie war immerhin relativ groß, etwa 1,75, wenn auch sehr schlank. 55 Kilo höchstens.« Ihr Gewicht war eines von Valeries Lieblingsthemen gewesen. Der morgendliche Blick auf die Waage bestimmte ganz wesentlich ihre Tageslaune. Hatte sie nur ein paar Gramm zugenommen, war sie den ganzen Vormittag schlecht gelaunt und verkniff sich den Nachtisch in der Kantine. Stella hatte ihr immer wieder vorgeschlagen, einfach die Waage abzuschaffen, aber das hatte sie nie über sich gebracht.
»Ein halbwegs kräftiger Mann kann einen Zentner gut bewegen«, sagte Luis. »Allerdings bei solchen Steilhängen nicht über weite Entfernungen. Es gibt keine Anhaltspunkte, wie sie hierhergekommen ist. Entweder wusste der Mörder von den Forstarbeiten, oder er hatte einfach schlicht saumäßiges Glück. Sie kann mit einem Auto hergebracht und dann die hundert Meter den Abhang bis zum Versteck getragen worden sein. Aber das sind nur Vermutungen. Die Polizei weiß nichts. Im Moment jedenfalls.«
Als die Zweige knackten, fuhr Stella herum, in Richtung des Geräusches, wie ein aufgeschreckter Hase. Ein Mann suchte sich am Hang, auf dem oben die Hochstraße entlangführte, Schritt für Schritt einen Weg nach unten zu ihnen. Derrida starrte ihn an ohne sich zu rühren. Stella erkannte ihn sofort, obwohl er,statt der Uniform wie am Morgen, Jeans und ein T-Shirt trug. Es war der Polizist, dessen Namen sie schon wieder vergessen hatte und den Katharina als ihren Verehrer bezeichnete. Er kam auf sie zu. Offensichtlich hatte er beschlossen, die Tatsache, dass sie das Absperrband nicht respektiert hatten, zu ignorieren. »Luca Sculli«, stellte er sich mit einer knappen Verbeugung vor und gab allen die Hand. Zu Stella sagte er: »Wir kennen uns. Sehr erfreut.« Derrida konzentrierte sich auf die neu hinzugekommenen Hosenbeine. Der Polizist schien es nicht zu bemerken. »Kannten Sie Fräulein von Kollwitz? Ihre Leiche wurde hier gefunden.« Dass Fräulein als Begriff und als Gattung in Deutschland ausgestorben waren, hatte er offenbar noch nicht mitbekommen.
»Woher kennst du den denn?«, flüsterte Irma ihre Tochter so laut zu, dass Sculli sich lächelnd zu ihr umdrehte.
»Ich gehöre zu den Carabinieri und bin mit der Aufklärung des Falles befasst.«
»Sie sprechen aber gut Deutsch, Commissario«, schmeichelte Irma. Dank Donna Leon ging ihr das Commissario flüssig über die Lippen.
» Grazie .« Sculli wusste offensichtlich, mit welchen italienischen Vokabeln ältere deutsche Damen vertraut sind. »Aber ich bin Maresciallo. Darf ich fragen, wie sie diesen Ort finden?« Er ließ seinen Arm in einer großen Geste von links nach rechts den Fundort beschreiben, wie ein Großgrundbesitzer seine Latifundien.
»Sehr hübsch ist es hier«, sagte Irma in ihrem Bestreben, schon mal einen freundlichen Grundton zu setzen. Gemäß ihrer Maxime, der Ton macht die Musik, die sie Fremden gegenüber konsequent einhielt, ihrer Tochter gegenüber aber gern vergaß.
Der Maresciallo schaute etwas
Weitere Kostenlose Bücher