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Es sterben immer drei

Es sterben immer drei

Titel: Es sterben immer drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Bus
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Anstalten, sie zu begleiten, sondern lief schnurstracks ins Wohnzimmer, wo er mit kurzem Anlauf auf den einzigen Sessel hopste und sich zusammenrollte. Seine Art, einen Besuch abzustatten. Fauler Hund. Stella ließ ihn liegen. Sie war kein Waidmann, sie brauchte keine Begleitung im Wald. Es würde kein Rebhuhn zum Apportieren geben. Sie konnte sich den gutmütigen Derrida nicht vor Jagdeifer am ganzen Körper zitternd vorstellen, wie die deutschen Drahthaare, die Gefährten ihres Vaters, denen er bei Altersschwäche eigenhändig mit der Pistole den sogenannten Gnadenschuss gab. Merkwürdiges Volk, diese Jäger. Zum ersten Mal seit ihrer Kindheit kamen sie ihr wieder in den Sinn. Grün gekleidete Männer und ein paar Frauen, die Gewehre schulterten, Taschen mit Fransen und Riemen trugen, an denen totes Geflügel baumelte. Sie pfiffen ihren Hunden hinterher, warfen leblose Tierkörper in Kofferräume, und in ihren Autos roch es nach nasser Erde und kaltem Blut. Eine Welt, die aus ihrem Alltag verschwunden war, seit ihr Vater nicht mehr lebte. Sie trabte den Berg hinunter in Richtung Wasserfall und überlegte, woher die Schüsse gekommen waren. Aber das war schwierig zu orten. In den Wellen aus Bergen und Tälern zerstob der Schall in alle Himmelsrichtungen und hängtenoch ein Echo dran. Ein Vorteil für die illegalen Schützen, die den offiziellen Beginn der Jagdsaison nicht abwarten konnten, ähnlich den Frühstartern an Silvester, die schon morgens die ersten Knaller im Hinterhof testeten. Normalerweise schossen Jäger auf Lichtungen, wenn das Wild im Morgengrauen den Schutz der Bäume verlässt, um sich Nahrung zu suchen. Solange sie sich im Wald aufhielt, war sie einigermaßen sicher.
    Als wieder ein Schuss fiel, stoppte sie erschrocken. Trotz allem hatte sie damit nicht gerechnet. Er hatte nahe geklungen. Sie horchte, aus welcher Richtung er wohl gekommen war. Vermutlich vom Waldrand, den Hügel hinunter, links von Katharinas Haus. Dort wo kein Gebäude in Schussweite lag. So ein Vollidiot. Irgendjemand musste ihn zur Rede stellen. Zur Strecke bringen, wie das unter Jägern hieß. Allerdings ohne ihn gleich abzuknallen. Sie steigerte ihr Tempo, aber dem kurvigen Forstweg zu folgen, würde viel zu lange dauern. Bis sie unten ankam, war er wahrscheinlich längst verschwunden. Voller Zorn sprang sie von der Straße in den Wald und rutschte mehr als dass sie rannte den Hang hinunter. Äste knackten unter ihren Füßen, Laub raschelte, Wild suchte bei diesem Lärm panisch das Weite. Garantiert machte sie sich gerade bei demjenigen, der die Schüsse abgab, völlig unbeliebt, aber das war ihr egal. Sie wollte mit eigenen Augen sehen, wen nicht einmal ein Rest von Pietät daran hinderte, seinem Verlangen nach Blut zu frönen. Drei Tage, nachdem nicht weit von hier ein Mord geschehen war. Stella fühlte Aggressionen in sich hochsteigen wie Blasen in kochendem Wasser. Konnten sie denn nicht wenigstens ein paar Tage stillhalten, im Andenken und zu Ehren einer Toten? Wütend sprang sie über einen quer liegenden Baumstamm und übersah, dass dahinter der Abgrund lag. Nur ein paar Meter, aber tief genug, um noch ›ach du Scheiße‹ zu denken. Im Fallen spürte sie einen Zweig ihren Arm streifen. Ein schneller zischender Zweig, der eine brennende Spur auf ihren Oberarm kratzte. Den Schuss hörte sie davor oder danach oder gleichzeitig. Zuviele Eindrücke auf einmal, um sie in die richtige Reihenfolge zu bringen. Der Turnunterricht als Kind rettete sie. Beim Fallen Hände an den Körper und beim Aufsetzen abrollen, hatte sie gelernt und tat es, ohne nachzudenken. Es funktionierte. Benommen blieb sie auf dem Rücken im Laub liegen, völlig außer Atem, obwohl ihre Kondition vom Joggen für hundert Meter Traben auf abschüssigem Waldboden ausreichte. Die Morgensonne flirrte durch die Äste. Der Arm brannte, aber sonst tat ihr nichts weh. Der Schock musste abklingen. Einfach einen Moment liegen bleiben. Erleichtert schloss sie die Augen. Das war noch mal gutgegangen. Sie tastete nach ihrem Arm. Die Joggingjacke war zerfetzt und das Feuchte, das sie an den Fingern spürte, war Blut. Das sah sie, als sie die Augen öffnete. Sie schloss sie wieder, um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen.
    »Was zum Teufel machen Sie hier?« Der Mann, der sich über sie beugte, sprach deutsch. Sie registrierte seinen grünen Hut, seine Kniebundhosen und die grüne Fleecejacke, an deren Reißverschluss ein kleiner Draht in Form eines Hundeknochens

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