Es sterben immer drei
beide Häuser zu Hof und Garten hin mit raumhohen Fenstern und zweiflügeligen Glastüren. Casa Pornello. Er hielt vor einer kleinen Kapelle, die als Abstellraum für Gartenmöbel zweckentfremdet wurde, trotzdem demonstrierte eine Reihe blühender Geranientöpfe so etwas wie Respekt vor der liebevoll restaurierten Marienstatue in der Nische neben der Tür. Aber vielleicht war das auch nur Sinn fürs Dekorative. Jochen nahm sein Gewehr aus dem Kofferraum und stieg ein paar Stufen zu einer Terrasse hoch, deren Ausblick in das flirrendeSilbergrün alter Olivenhaine für ihn längst selbstverständlich war. Er würdigte ihn nicht eine Sekunde, sondern schlug den Glasperlenvorhang vor einem Eingang zurück und verschwand. Weder hatte er es für nötig befunden, Stella die Wagentür aufzuhalten, noch sie ins Haus zu bitten. Wütend folgte sie ihm. Als sie die Küche betrat, wusch er sich schon seine Hände am Spülbecken und sagte zu einem der beiden Männer, die an einem großen Esstisch saßen: »Andreas, es gab einen kleinen Unfall. Kannst du dir das mal anschauen?«
Andreas rückte Stella einen Stuhl zurecht, setzte seine Lesebrille auf und zog das Pflaster mit einem Ruck ab. »Ist nicht schlimm«, stellte er fest, »ich hol mal Jod.«
»Kleiner Unfall, dass ich nicht lache. Die Jagd geht erst am Sonntag los. Er kann nicht schnell genug wieder auf die Pirsch kommen. Nicht mal vom Tod der eigenen Frau lässt er sich den Spaß verderben. Warst du zu gierig in deinem Jagdfieber, hast du nicht richtig getroffen?« Stella erkannte auch diesen Mann sofort. Karl Kleemann, noch eine Spur mehr verlottert als auf Katharinas Fotos. Der begnadete Künstlerarchitekt, dessen Visionen niemand bauen wollte, zeigte seine Verachtung für Jochen deutlicher als gute Manieren erlaubten. Jochen ignorierte ihn einfach. Stattdessen lächelte Stella ihn an, was bei Kleemann die höfliche Ader weckte. »Kaffee, Tee? Haben Sie schon gefrühstückt?« Er schob ihr den Brotkorb hin, Butter, Marmelade, Käse, Wurst, Obst, Joghurt und eines der unbenutzten Gedecke auf dem Tisch. »Als alternde Männer sind wir von seniler Bettflucht geplagt. Deswegen ist der männliche Teil des Hauses schon auf den Beinen«, erklärte er seine und Andreas’ Anwesenheit so früh am Morgen. »Die Damen schlafen noch.« Stella lächelte weiter, idiotisch wie sie glaubte, aber das alles war plötzlich zu viel für sie. Eigentlich hätte sie am liebsten ihre Ruhe gehabt, sich wieder ins Bett gelegt und noch eine Runde geschlafen. Doch da kam Andreas mit dem Verbandszeug zurück und machte sich an ihrem Arm zu schaffen. »Eine Lattemacchiato bitte,« sagte sie schlaff. Erstaunlicherweise begab Jochen sich zum Herd. Kleemann setzte sich neben sie, deutete auf ein Hörnchen, fragte, ob sie Butter und Marmelade darauf haben wolle, aber sie wollte lieber ein Käsebrot. Er belegte es und schnitt es in Reiterchen wie einem kleinen Kind. Er erkannte sie ebenfalls nicht, aber das konnte sie ihm beim besten Willen nicht als Ignoranz auslegen, er hatte sie vor zehn Jahren das erste und einzige Mal gesehen.
Andreas verband ihren rechten Arm. »Was ist denn passiert?«, fragte er.
»Sie ist einen Abhang hinuntergefallen und hat sich den Arm an einem dornigen Zweig aufgerissen.« Jochen stellte den Milchkaffee auf den Tisch.
Stella verschluckte sich vor Empörung. »Sie haben mich angeschossen«, krächzte sie hustend. »In einem Gebiet, in dem das Jagen verboten ist. Überall stehen Schilder. Divieto di caccia .« Sie sprach es divjeto di katscha aus, unsicher, ob die Aussprache stimmte. Aber kaka war ihr peinlich.
»Unsinn«, sagte Jochen.
»Schade um die Schilder.« Kleemann schlug sich auf Stellas Seite, womit er sich sofort bei ihr beliebt machte. »Die Regeln gelten doch nicht für Jochen. Da steht der drüber.«
»Ist nur leicht gestreift«, sagte Andreas. »Die Jacke hat das meiste abgekriegt. Das wird schnell verheilen.«
Gleich wird er noch auf die Wunde pusten, dachte Stella, und heile, heile Segen singen. Sie atmete tief durch. Jochen musste man mit seinen eigenen Waffen schlagen. Strategisch denken und hinterlistig agieren. So viel hatte sie im Laufe der Zeit über den Umgang mit deutschen Verlagsmanagern verstanden. Sie überlegte, ob sie ein paar Tränen einfließen lassen sollte, das wirkte immer Wunder, wenn es darum ging, in kaltherzigen Männern die zarten Regungen eines schlechten Gewissens zu wecken. Weinende Frauen konnten wunderbar Druck ausüben. Aber
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