Es sterben immer drei
Keksen und Kaffee genug Informationen aus der Unterhaltung zwischen Stella und Marlene auf, um ihr investigatives Talent zu schulen. »Valerie war schwanger, aber nicht von Jochen? Wie interessant. Wer käme denn da noch in Frage?«
Ungeachtet der etwaigen Folgen für ihre Figur knabberte Marlene die Kekse mit der meisten Schokolade dran. »Keine Ahnung«, sagte sie mit vollem Mund. »Das wollte sie mir nicht verraten.«
»Nicht mal eine Vermutung?«, fragte Stella einen Deut schneller als Irma.
Marlene zuckte mit den Schultern. »Sie fuhr öfter mit dem Alfa nach Todi. Angeblich, um Informanten für ihr Buch zu treffen. Informanten. Pah. Sie hatte eine Schwäche für diesen Schönling von Polizisten. Ob sie den nur interviewt hat, na ich weiß nicht.«
»Schönling von Polizist?«, fragten Irma und Stella gleichzeitig.
»Der, der auch ihren Tod untersucht. Angeblich hat er ihr die Mafiastrukturen erklärt. Kann ja sogar sein. Mir hat sie erzählt, dass Jochen sie langweilt und es ein Fehler war, sich mit ihm einzulassen. Ich hätte mit Karl den besseren Griff gemacht. Das war mir nun wirklich nicht neu.«
»Wann hat sie dir das erzählt?«
»Vorige Woche. Sie wollte Jochen verlassen und überlegte sich, wie sie es am besten anstellt. Und bum, eine Woche später ist sie tot. Merkwürdig, nicht?«
In der Tat. Aber noch interessanter fand Stella, dass nun plötzlich Luca Sculli an unvermuteter Stelle in dieser Geschichte auftauchte. Das passte ihr ganz und gar nicht. Sie hoffte, er war wirklich nur Valeries Informant. Sie hoffte es für sich. Sie würde ihn danach fragen müssen, allein schon, um die leise Enttäuschung, die sie heraufziehen spürte, wieder zu vertreiben. Valerie konnte ganz schön nerven. Über ihren Tod hinaus. Als Marlene abschwirrte, fröstelte Stella, obwohl die Mittagssonne kein schattiges Plätzchen auf der Terrasse übrig ließ. Wollte ihr Körper ihr etwas mitteilen, was ihr Verstand nicht erfasste?
»Wirklich entzückend.« Irma winkte Marlene nach, solange der rote Alfa zwischen den Bäumen zu sehen war.
9
Das Fest bei der Contessa fand im Hof ihres Schlosses statt. Wie verabredet, holte der Maresciallo Stella und Irma ab. In seinem schicken grauen Anzug mit fliederfarbenem Hemd, die Sonnenbrille auf ihrem Stammplatz auf den schon zart grau melierten Wellen machte er seinem Image als Polizistenbeau alle Ehre. Bei seinem Anblick war Stella froh, ausnahmsweise dem Ratschlag ihrer Mutter gefolgt zu sein. Kurz bevor er in der Tür stand,tauschte sie doch noch T-Shirt und Kakirock gegen ihr bestes seidenes Flatterkleid, das mit dem großzügigen Ausschnitt. Da die Einladung zur Eröffnung der Saison vor allem Jägern galt, die den waidmannsgerechten Auftritt in strapazierfähigem Drillich liebten, hatte sie nicht als overdressed auffallen wollen, aber Irma erledigte diese Bedenken mit einem knappen »Blödsinn«. In Italien, so ihre Meinung, könne man gar nicht overdressed genug sein, dafür würden sich die Italiener viel zu gern rausputzen. Richtig schlimm sei es, als underdressed und typisch langweilig deutsch abgeurteilt zu werden. Sie selbst hatte sich viel Mühe gegeben. Ihr lavendelblaues Kostüm mit klatschmohnroter Rüschenbluse zeugte zwar nicht von farblicher Diskretion, stand ihr aber ausgezeichnet. Den kleinen runden violetten Hut mit aufgefächerten Federn wie am Popo einer Can-Can-Tänzerin fand Stella albern, Irma hielt ihn jedoch für genau passend, weil es Fasanenfedern waren. Und wie sich herausstellte, harmonierte die Farbe wie abgesprochen mit Lucas fliederfarbenem Hemd. Beide fanden das witzig. Luca und Irma hatten auf den ersten Blick Gefallen aneinander gefunden, und diese Zuneigung schien sich mit jedem Treffen zu verfestigen. Irma war es auch, die mit Blick auf Lucas abgeschrabbelten Privat-Fiat beschloss, im gemieteten BMW-Cabrio vorzufahren, selbstverständlich mit dem Maresciallo am Steuer, weil er ja nun mal am besten wisse, wo es langgehe. Stella war mit allem einverstanden, musste aber doch über ihre Mutter schmunzeln. Immer noch auf Außenwirkung bedacht wie ein eitler Teenager. Männern gebührte in Irmas System naturgegeben die Position der Weltenlenker. Das hatten auch die emanzipatorischen Errungenschaften der Alt-68erinnen nicht ändern können. Töchter gehörten auf die Rückbank. Luca genoss sichtlich die fünfzehn Minuten Fahrt mit dem teuren Auto. Er grüßte jeden auf der Straße, und alle grüßten zurück. Jeder im Sonntagsstaat,
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