Es sterben immer drei
landen. Und das ohne Überrollbügel. Seit dieser Zeit war Stella dem Alfa Spider verfallen. Am liebsten hätte sie selbst das Lenkrad übernommen.
Marlene fuhr sicher und zügig. Auf den Serpentinen schaltete sie rauf und runter, ohne dass der Wagen untertourig oder hochtourig jammerte. In den Haarnadelkurven drehte sie mangels Servolenkung mit anmutiger Kraft am Steuer. Stella spürte die Kühle, als sie von der freien Straße in den Wald hineinfuhren, in ein olfaktorisches Gesamtkunstwerk aus Bäumen, Kräutern, Pilzen und Erde. Ab und zu traf ein Sonnenstrahl sie quer durch die Äste mitten ins Gesicht. »Ist das nicht ein wunderbares kleines Auto?«, rief Marlene in das Brummen des Motors. »So was wird heute nicht mehr gebaut. Wie schade.«
»Gehört es dir?«
»Nein, natürlich nicht. Es gehört Kleemann. Er hat es in den 80er-Jahren gekauft. Leider fehlt ihm das Geld für eine Renovierung. Er träumt von so einem teuren Schlitten wie Jochens dämlichem SUV. Männer sind beknackt.« Sie schüttelte lachend den Kopf.
Die Gelegenheit war günstig, Marlene beim Plaudern ein bisschen auszuhorchen. Sie ließ es gut gelaunt zu. So erfuhr Stella, dass Marlene Kleemanns Studentin war. Alle seine Studentinnen himmelten ihn an, weiß der Kuckuck warum, sagte sie, schließlich sei er nicht mehr der Jüngste und habe die Grenze zu fett schon überrollt, aber vielleicht arbeite ihre Generation sich an einem Vaterkomplex ab. Die vielen Scheidungsmädchen, die Papa nur am Wochenende sehen, stünden alle auf ältere Männer. Nachdem sie ewig Papa nur aus der Ferne anschwärmen durften, seien sie jetzt endlich alt genug, um mit ihm ins Bett zu gehen. Im übertragenen Sinne natürlich nur. Die Rache der jungen Frauen an ihren Müttern, denen sie nach der Scheidung bis zum Überdruss ausgeliefert waren.
»Gleichaltrige Männer interessieren dich nicht? Die sind doch viel hübscher.« Stella, die ihren Vater erst als Erwachsene verloren hatte, konnte nie nachempfinden, was junge Frauen an alten Zauseln attraktiv fanden.
»Gleichaltrige Männer sind langweilig«, sagte Marlene fröhlich.Ihr Haarknoten hatte sich im Fahrtwind fast aufgelöst, was ihr aber ebenfalls ausgezeichnet stand. »Die sind ja wie ich.«
»Aber warum ausgerechnet Kleemann?«
»Oh, aus reiner Bosheit.« Marlene hielt am Straßenrand, angelte die Baseballkappe von dem altmodischen Ablagebord unter dem Steuer und stülpte sie sich achtlos über. »Er hatte ein Verhältnis mit einer Professorin, die ich nicht leiden konnte. Die wollte ich ärgern.« Sie startete den Wagen wieder und fuhr mit quietschenden Reifen in die nächste Haarnadelkurve. »Ich bin 22«, Marlene machte beim Kopfrechnen ihre reizende Entenschnute. »31 Jahre jünger als Kleemann. Mein Vater ist fünf Jahre jünger als mein Liebhaber. Cool, was?«
»Liebst du ihn?«
Statt einer Antwort seufzte Marlene nur. »Hast du Katharina schon kennengelernt?«, fragte sie.
Stella nickte, bemerkte dann aber, dass Marlene es nicht sehen konnte, so beschäftigt mit Lenken wie sie war. »Ja«, rief sie in den Wind.
»Und was hältst du von ihr?«
»Schwierig. Und du?«
»Sie ist mit Jochen verheiratet. Davor war sie mit Kleemann verheiratet. Als ich das erste Mal hierherkam und die Beziehung zwischen den dreien kapierte, dachte ich, ich spinne. Die haben da ein Ding laufen, nach einem uralten französischen Film. ›Jules und Jim‹. Kennst du den? Ich habe ihn mir extra auf DVD angeschaut. Es geht um lebenslange Liebe zu dritt. Toleranz. Harmonie. Ewiges Glück. Blablabla. Funktioniert natürlich nicht. Hat noch nie funktioniert. Jeder betrügt jeden. Kleemann kann schon seit ewigen Zeiten die Finger nicht von anderen Frauen lassen. Deswegen hat sich Katharina ja auch scheiden lassen. Mit Jochen, dachte sie, hätte sie eine sichere Bank. Denkste, Puppe. Der hat auch gemerkt, dass er mit seinem Geld jüngere und unkompliziertere Frauen kriegt als Katharina. Er wollte Valerie heiraten. Hast du das gewusst?«
Stella bejahte.
»Katharina hasste Valerie, weil sie ihr die schöne Illusion geraubt hat, die wichtigste Frau in Jochens Leben zu sein. Valerie war ein perfides Miststück. Sie spielte mit allen. Karl war durch mich einigermaßen immun. Außerdem fand sie Jochen mit seinem Geld die viel interessantere Beute. Letzten Endes interessierte sie sich vor allem dafür. Komisch, Mädchen aus gutem Haus, die sowieso satt erben, sind meistens die, die am stärksten auf reiche Männer fliegen.
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