Es sterben immer drei
Kindheit von einem englischen Gewehr der Marke Holland&Holland, aber das lag heutzutage leider außerhalb der finanziellen Möglichkeiten ihrer Familie. Der Adel war mittlerweile gesellschaftlich nicht mehr so geachtet wie es ihm aufgrund seiner großen historischen Bedeutung zukam, was sich auch auf die Vermögensverhältnisse auswirkte.
Stella dachte an die Baldachine aus dem Baumarkt im Schlosshof und musste ihr recht geben.
Die Contessa unterbrach kurz ihren Monolog für einen tiefen Seufzer. Die arme deutsche Gräfin, ihre adelige Freundin, auch sie ein Opfer des verhängnisvollen Wandels der Welt. Bevor sie ihre Betrachtungen fortsetzen konnte, wurde der erste Gang aufgetragen. Niemand hörte ihr mehr zu, alle strömten zu den Spaghetti all’amatriciana , die eine winzige, schwarz gekleidete Frau mit einer Schöpfkelle schwungvoll auf Plastikteller verteilte. Die Besonderheit dieses Sugo seien in Wasser gekochte Zwiebeln, entnahm Stella einer auf Französisch geführten Fachsimpelei vor ihr in der Schlange. Die Contessa verzichtete auf die Pasta, stattdessen gab sie, als endlich alle wieder saßen, eine Kostprobe ihres kriminalistischen Spürsinns. »Du hast Valerie als Letzte lebend gesehen, Katharina. Richtig? Wenn sie von deinem Haus aus zum Joggen ging, müsste sie doch irgendwo in der Nähe umgebracht worden sein. Richtig?«
»Das hat die Polizei sich auch gedacht«, sagte Katharina und schob ihren noch fast vollen Pastateller beiseite. Kein Wunder, dass sie so dünn war. »Die ganze Gegend wurde mit einer Hundestaffel abgesucht, aber man hat nichts gefunden.«
»Wenn du sie gegen fünf als Letzte gesehen hast, bräuchte man doch nur den Radius, den eine Joggerin in zwei Stunden zurücklegen kann, abzusuchen. Das kann doch nicht so schwer sein.« Die Contessa hatte sich offensichtlich schon intensiv mit dem Fall beschäftigt.
»Oder jemand hat sie mit dem Auto abgeholt«, sagte Stella und wischte sich die Tomatenspritzer vom Seidenkleid.
»Wer soll das denn gewesen sein?«, schaltete Jochen sich ein, der die ganze Zeit mit seiner italienischen Nachbarin zur Rechten geredet hatte, in einigermaßen zügigem Italienisch, so dass Stella kein Wort verstand, und der die ganze Zeit so getan hatte, als würde er nicht zuhören.
»Nun, da gibt es ein paar Möglichkeiten. Valerie hat sich in kurzer Zeit einen großen Kreis männlicher Verehrer geschaffen.« Katharina lachte so höhnisch, wie es ihr möglich war. Es klang immer noch relativ höflich. Trotzdem musterte Jochen seine Ehefrau so streng, dass man Gefahr lief, sich an der Eiseskälte zwischen den beiden Frostbeulen zu holen.
»Ah, sie sind alle so besorgt.« Auch die Contessa mochte keine niedrigen Temperaturen und tat ihr Bestes, wieder mehr Wärme in die Unterhaltung zu blasen. »Wie verständnisvoll sie alle miteinander umgehen und so tolerant.«
Stella beobachtete einen Zeisig, der munter in den Zweigen des einzigen Baumes, der in dem gepflasterten Innenhof stand, herumschwirrte, sich offenbar nicht der Gefahr bewusst, dass in dieser Gegend auf alles geschossen wurde, was sich aus der Deckung wagte. Singvögel und deutsche Gräfinnen inbegriffen. »Ich habe gehört, sie soll schwanger gewesen sein«, sagte sie ganz impulsiv zu ihren beiden Nachbarinnen, die einträchtig rauchten statt etwas zu essen. Manchmal erwachte der kleineTeufel Provokation in ihr. Zum Beispiel, wenn er die Chance witterte, nebenbei einen selbstgefälligen Manager aus dem Konzept zu bringen. Es gelang, obwohl er nicht direkt angesprochen worden war.
»Wer sagt das?«, bellte Jochen. »Dieser eitle Maresciallo? Diese Indiskretion lasse ich ihm nicht durchgehen.«
Stella schüttelte schnell den Kopf. »Nein, nein. Es wird im Dorf getratscht.«
»Reg dich ab. Jeder weiß das.« Katharina blieb völlig ungerührt.
Die Contessa offensichtlich nicht. »Oh, mein Gott. Welch eine Tragödie.« Sie fächelte sich mit einem imaginären Fächer Luft zu. Es hätte nicht viel gefehlt und sie wäre in Tränen ausgebrochen.
»Mit Zwillingen«, setzte Katharina noch eins drauf.
»Jetzt halt endlich den Mund«, zischte Jochen.
»Aber wenn’s doch wahr ist.« Katharina hatte beschlossen, die Gelegenheit zu nutzen, um Jochen so richtig zu ärgern.
»Jochen, Sie Armer. Das macht diesen Verlust noch tausendmal schmerzvoller.« Die Contessa ging ganz in ihrer Rolle als gerührtes Mitleid auf. »Mein Beileid, mein Beileid.« Sie kletterte so schnell es ihre kurzen Beine erlaubten
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