Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es sterben immer drei

Es sterben immer drei

Titel: Es sterben immer drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Bus
Vom Netzwerk:
so etwas wie Hassliebe? Fragen, auf die sie keine Antworten wusste. Unaufhörlich kreisten sie in ihrem Kopf und nichts da draußen verhinderte, dass sie auftauchten und versanken wie in einem Strudel, der auch sie in die Tiefe zu ziehen drohte. Ihr einziger Rettungsanker blieb das Atmen. Es holte sie immer wieder an die Oberfläche. Einatmen, ausatmen.
    Leichtes Klicken, kaum hörbar, drang durch die Stille. Jemand öffnete die Eingangstür. Sie wusste, es ist Luis, und horchte auf seine leisen Schritte im Flur, erleichtert, dass er sie von ihrem Grübeln ablenkte, neugierig, warum er, ohne Angabe von Gründen, zu Irmas Abendessen nicht erschienen war. Wo war er gewesen, dass er erst so spät, oder besser, so früh nach Hause kam? Froh, einen Grund zu haben, aus dem Bett zu fliehen, stand sie auf und ging nach unten. Vorsichtig, damit Irma nicht aufwachte.
    Auf der Treppe hörte sie das Schnarchen ihrer Mutter. Es klang friedlich und vertraut. Schon als Kind hatte Stella diese merkwürdig zischenden Schnaufer nicht als lächerlich, sondern als etwas Tröstliches empfunden, als Vergewisserung, dass die Nächte, trotz aller beängstigenden Schwärze, nur der Übergang waren zum Licht des nächsten Tages. Mit den Jahren war Irmas Schnarchen etwas lauter geworden, aber sonst war alles wie immer.
    Im Wohnzimmer kniete Luis neben Derrida, der auf dem Rücken lag, genüsslich alle viere von sich streckte und sich den Bauch kraulen ließ. Offensichtlich hatte die Nacht nur für Stella etwas Beängstigendes. »Wo kommt ihr denn jetzt her«, herrschte sie Luis an und es klang strenger als beabsichtigt. Sie sah nur seinen Schatten und konnte keine Reaktion erkennen. Die Nacht war nicht mehr ganz so schwarz wie noch vor ein paar Minuten. Die Dämmerung hatte begonnen. »Der Hund lag vor der Haustür und ist einfach mit rein.«
    »Und du?«
    Mit dieser Antwort ließ Luis sich Zeit. »Bei der Contessa«, sagte er schließlich.
    Stella knipste das Deckenlicht an und gleich wieder aus, weil es viel zu stark blendete. Luis schaltete die Neonröhre über dem Herd ein. »Willst du auch einen Tee?«, fragte er. Er trug seinen grauen Ausgehanzug, der am Rücken verknittert war, als hätte er darin geschlafen. Sie setzte sich an den Tisch. »So spät noch einen Tee? Du solltest besser ins Bett gehen«, mahnte sie mütterlich.
    »Darf ich beides haben?«, fragte er und lächelte. »Willst du nicht wissen, was ich bei der Contessa gemacht habe?«
    »Sie gevögelt?«
    »Ach, Stella, was du immer denkst.« Jetzt lachte er richtig und goss heißes Wasser in die Kanne. »Bist du etwa eifersüchtig?«
    Wie kam er denn auf diese absurde Idee? Die Empörung weckte Stella endgültig. »Na entschuldige mal, du kommst im Morgengrauen nach Hause. Dein Anzug sieht aus wie im Bett gewälzt und die Contessa mag zwar pummelig sein und auch nur halb so groß wie du, aber eindeutig gehört sie zu den Frauen mit der Diagnose overdressed und underfucked. Da wollen Männer doch gerne ein Teil der Therapie sein.« Sie redete sich aus Empörung in Rage.
    »Over sexed and underfucked«, sagte Luis. »Komm. Ich zeig dir, was ich bei der Contessa gefunden habe.« Er nahm zwei Teetassenund ging nach oben in sein Zimmer. Stella und der Hund folgten ihm. Er klappte seinen Laptop auf und hängte einen USB-Stick an, den er aus seiner Anzugtasche holte. Stella, nun doch neugierig geworden, setzte sich neben ihn. Derrida machte es sich auf dem Bett gemütlich, wohl wissend, dass niemand ihn genug beachtete, um ihn von dort zu vertreiben.
    »Hier«, sagte Luis und deutete auf Zahlenkolonnen, die ihr nichts sagten, noch dazu mit italienischem Text, den sie nicht verstand. Sie schaute ihn fragend an.
    »Die Buchführung der Olivenölfirma der Contessa.«
    »Davon verstehe ich nichts«, sagte Stella.
    Sie wusste, dass er früher, vor seinen Zeiten als vagabundierender Fotograf und Yogalehrer, als Bankangestellter in Zürich versucht hatte, ein auskömmliches Leben zu führen. Mit dem einzigen Erfolg, dass ihm klar wurde, dies war garantiert der allerletzte Job, mit dem er freiwillig seinen Lebensunterhalt verdienen wollte. Aber etwas musste doch hängen geblieben sein, wenn er dem Zahlensalat einen Sinn abringen konnte. Stella tippte ihn an, damit er sie anschaute, statt auf den Bildschirm zu starren. »Darf ich fragen, wo du die her hast?«
    »Von der Contessa«, sagte er.
    »Und sie hat dir die Daten freiwillig gegeben, weil du so schön bitte, bitte gemacht

Weitere Kostenlose Bücher