Es sterben immer drei
längeren Verteidigungsrede sakraler Architektur an, aber Katharina unterbrach ihn. »Nun sag schon, wie bin ich dir aufgefallen?«
Jochen verweigerte sich. Er habe nicht die geringste Lust, seine privatesten Geschichten in irgendeinem Schmierblatt breitgetreten zu sehen, erklärte er muffelig und schwieg verdrossen.
»Spielverderber«, rief Katharina fröhlich. »Ehrlich gesagt gefiel mir Kleemann besser als Jochen, vor allem als ich erfuhr, dass er Architektur studierte und Jochen BWL. BWL, Jura, Volkswirtschaft, mit diesen Fächern konnte man bei Mädchen damals nicht punkten. Zumindest wenn sie nicht dasselbe öde Zeug studierten. Wir interessierten uns nicht für Karrieren in der kapitalistischen Gesellschaft. Wir hielten uns für kritisch und verabscheuten die Angepassten, die Schleimer und Karrieristen, die Geld verdienen wollten, statt die Welt zu verbessern.« Katharina lachte. »Es konnte ja keiner ahnen, dass genau diese Typen dann die Macht übernahmen, während unsere geliebten durchgeistigten Idealisten ins Prekariat und die Bedeutungslosigkeit abdrifteten.« Sie fing an, auf dem Couchtisch herumzusuchen. »Mist, ich hätte jetzt so gerne eine Zigarette. Warum hatte ich nur die blödsinnige Idee, damit aufzuhören.«
»Catherine!«, mahnte Jochen.
»Ist ja schon gut, ich fang nicht wieder an. Wo war ich stehengeblieben? Ach ja. Dreißig Jahre sah es aus, als hätten wir uns damals getäuscht und auf die falschen Männer gesetzt. Aber schau dir an, was gerade passiert. Das ganze kapitalistische System, das uns die feinen BWLer als einzig mögliches Modell verkauft haben, wackelt an allen Ecken und Enden. Sie haben uns alle verarscht und sich als genau das entpuppt, wofür wir sie von Anfang an hielten: Idioten. Ehrgeizige, egoistische, raffgierige Idioten. Am Ende haben wir mit unserer Verachtung doch recht behalten.«
Stella interessierte es nicht, in allgemein politische Dimensionen abzuschweifen, sie wollte bei der Geschichte bleiben, die ihr ein Honorar von Otto eintrug. So viel Kapitalismus musste sein. »Aber du hast dich in Jochen verliebt, obwohl er BWL studierte«, stellte sie fest.
»Ich habe mich nicht in ihn verliebt. Ich habe ihn in Kauf genommen, weil Kleemann ohne ihn nicht zu haben war.«
Katharina war rücksichtslos in ihrer Ehrlichkeit. Jochen saß nach vorn gebeugt auf der Couch und fixierte Stella misstrauisch wie ein bissiger Köter, als wäre sie schuld an der Geständnislaune seiner Ehefrau. Die plapperte munter über seinen Kopf hinweg, wie eine Mutter, die sich in der trügerischen Sicherheit wiegt, ihr Kind verstünde kein Wort von dem, was sie redet.
»Wir hatten anfangs die komplizierte Situation, dass ich in Kleemann verliebt war, Jochen in mich und Kleemann in keinen von uns beiden. Ihn interessierte nur die Idee vom Sex zu dritt. Er wollte experimentieren, ausprobieren, Phantasien ausleben, schwule und heterosexuelle und wir beide spielten mit, aus ganz verschiedenen Gründen.« Katharina lachte. »Aber schön und aufregend war es schon. Nach dieser ersten Nacht waren wir unzertrennlich.«
Katharina ignorierte Jochens bösen Blick. Sie fürchtete ihn nicht. Stella setzte sich noch gerader hin. Schwule Phantasien,oh, là, là. Jetzt war wirklich Vorsicht geboten. Wie alle berufsgeschädigten Paranoiker würde er sich zu wehren wissen. Als Spezialist darin, jemandem das Messer in den Rücken zu stoßen, konnte er mit ein paar Telefonaten eine unliebsame Journalistin ohne weiteres ausbremsen. Das wurde ihr klar, als sie ihn so verkniffen dasitzen sah, auch deswegen verbot sie sich Fragen nach den aufregenden Einzelheiten der Dreierbeziehung. Vorauseilender Gehorsam aus reinem Selbsterhaltungstrieb.
Katharina schien von den Spannungen im Raum nichts zu bemerken. »Die Zeit verging. Das Glück verlor langsam seinen Glanz, ohne dass man es sofort bemerkte«, sagte sie versonnen, als würde sie vor der Klasse stehen, zweites Jahr Grundschule, und ein auswendig gelerntes Gedicht vortragen.
»Und du hast dann Kleemann geheiratet«, stellte Stella fest und hoffte, dass dieses Terrain ungefährlicher war als das Bett der drei.
»Ja, ich habe Kleemann geheiratet. Aus Liebe. Warum er mich geheiratet hat, weiß ich nicht, aber ich habe da einen Verdacht. Er wollte Jochen eins auswischen.«
»Quatsch«, ließ Jochen sich nun doch zu einem Wortbeitrag hinreißen.
Sie schaute ihn liebevoll an, es konnte aber auch verächtlich sein. »Selbst heute noch kann Jochen sich nicht
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