Es sterben immer drei
Jochen in China neue Geschäftsfelder erschloss und Bob Dylan sowieso hasste. Er, weil die Provinzbanausen in seiner Caserma lieber Zucchero hörten. Es war ein Open-Air-Konzert. Als es anfing zu regnen, bot er ihr die Hälfte seiner Regenjacke an. Wie alle Touristinnen hatte sie in Italien beständig schönes Wetter vermutet und trug nur ein Sommerkleid. Sie gefiel ihm, wie sie so unter dem Zeltdach seiner Jacke neben ihm kauerte, sie sah gut aus, sang die Lieder mit und konnte auf den Fingern pfeifen. Er gefiel ihr aus ähnlichen Gründen, nahm er an. Sie pfiffen Beifall um die Wette. Wer am lautesten war, gewann. Mal er, mal sie. Als sich herausstellte, dass beide in derselben Gegend wohnten, tauschten sie Telefonnummern.
Stella bohrte gnadenlos weiter wie ein Pfarrer, der seinen Sündern gern schlüpfrige Details entlockt. »Telefonnummern getauscht. Und sonst ist nichts passiert?« Valerie war schließlich bekannt dafür, Männer ohne großes Zaudern abzuschleppen.
»Nichts«, beteuerte Luca, gab nach einigem Zögern aber zu, dass sie an jenem Abend ungewöhnlich brav waren. Beide. »Sie fuhr mit dem Alfa zurück zur Casa Pornello, ich mit dem Motorrad nach Hause.«
»Das war alles?«
Er schüttelte langsam den Kopf. »Zwei Wochen später rief sie mich an, weil sie auf der Piazza einen Kaffee trank, und fragte mich, ob ich nicht dazukommen will. Ich konnte nicht, ich hatte Dienst, ich habe sie zu mir zum Essen eingeladen.«
»So, so«, sagte Stella.
»Ja. Von Jochen wusste ich damals noch nichts. Sie hatte ihn nicht erwähnt. Ich dachte, sie wohnt allein in einem Ferienhausund es ist ihr langweilig. Ich mag die zarte Seele deutscher Frauen.« Er sagte tatsächlich zarte Seele.
»Du musst ja gute Erfahrungen gemacht haben. Mit Sandra vielleicht?«
»Sandra?« Er war nun ehrlich verblüfft. »Wer hat dir von Sandra erzählt?«
Sie hütete sich, ihm zu erklären, dass eine schüchterne Journalistin mit Schwierigkeiten, spontane Gespräche anzuknüpfen, eben andere Methoden entwickelt, um an Informationen zu kommen. Methoden, die nicht unbedingt den ethischen Regeln des Journalistenverbandes entsprachen, aber deswegen nicht weniger effektiv waren.
Luca hätte ihre Antwort sowieso nicht gehört. Er seufzte so tief, dass die Nachbarn in den Stockwerken unten drunter in diesem Moment wahrscheinlich besorgt zur Decke guckten. »Mit Sandra bin ich verheiratet.«
Das wurde ja immer schöner. Stella vergaß zu atmen. Welches Geständnis kam als nächstes? »Dann hast du dein Deutsch doch nicht als Kind in Papas Pizzeria gelernt?«
»Doch, doch, das stimmt. Ich kenne Sandra aus Memmingen. Wir sind zusammen, seit wir 16 sind. Irgendwann haben wir eben geheiratet, weil unsere Eltern das so wollten.«
»Aber sie lebt nicht hier?«
»Sie wollte Rom nicht verlassen. Sie findet, dass sie sich nicht aus dem Allgäu nach Rom aufgemacht hat, um dann in der italienischen Provinz zu versauern. Wir leben quasi getrennt.«
»Seid ihr auch schon quasi getrennte Wege gegangen, als du Valerie getroffen hast?«
»Mehr oder weniger.«
Stella verspürte nicht die geringste Lust, das Thema Ehefrau jetzt auch noch zu vertiefen. Die Dinge waren schon kompliziert genug. Sie blieb bei Punkt A auf der Prioritätenliste. »Und was ist nach dem Abendessen mit Valerie passiert? Immer noch kein Sex?« Das ganze Gespräch entwickelte sich mehr und mehrzu einem Verhör. Fühlte ein Polizist sich auch so unbehaglich dabei?
Luca stand auf, nahm die beiden Teller und schüttete die Spaghetti, die keiner aufgegessen hatte, zurück in den großen Topf. Dann blieb er am Herd stehen, als bräuchte er eine sichere Entfernung von Stella. »Nein, kein Sex«, sagte er »Sie wollte nicht. Sie ließ sich zwar küssen und war wild und alles, aber plötzlich ist sie einfach vom Sofa aufgestanden, hat ihre Bluse zugeknöpft und ist gegangen.«
»Wegen Jochen?«
»Vielleicht. Aber vielleicht mag sie das so. Einen Mann scharfmachen und dann stehen lassen. Klassisches Cockteasing.«
Bei diesem Thema konnte Stella nicht mitreden. Sie wusste weder, wie Cockteasing ging, noch was der Grund dafür war. »Warum sollte sie das tun?«, fragte sie ehrlich neugierig.
»Manche Frauen sind so«, sagte Luca. »Sie glauben, das macht sie interessant.«
»Und tut es das?«
»Irgendwie schon.«
Das sollte sie sich merken, dachte Stella. Ob Valerie sich aus strategischen Gründen geziert oder Luca wegen seines sicherlich nicht besonders üppigen
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