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Es sterben immer drei

Es sterben immer drei

Titel: Es sterben immer drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Bus
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Der Fahrzeuglenker studierte ratlos die Wegweiser, als würden ihm die lateinischen Buchstaben ein unlösbares Rätsel aufgeben. Stella sagten die Ortsnamen auch nichts. Um ihn nicht in Verlegenheit zu bringen, fragte sie ganz vorsichtig, ob er sich verirrt habe. Er verneinte, aber das zweifelnde Kopfschlackern signalisierte, dass Stella vielleicht doch recht haben könnte. Nach hektischem Durchwühlen des Handschuhfachs und der Seitentasche der Fahrertür förderte er eine Landkarte ans Licht, deren Faltsystem völlig aus den Fugen geraten war. Aber das Hilfsangebot seines Fahrgastes, wieder Ordnung in die Knitterwüste zu bringen, lehnte er ab. Sein muslimisches Soziologieprofessorenego ließ Hilfe von einer Frau offensichtlich nicht zu. Er verstaute die Karte wieder in derSeitentasche und nahm die Abzweigung, aber beim nächsten Lebewesen, das er auf der Straße sah, einem alten Bauern, der an einer Wiese Stacheldrahtrollen von einem kleinen dreirädrigen Lastwagen lud, hielt er an, drehte das Fenster herunter und fragte etwas in einem Italienisch, das nun wiederum den Bauern vor eine unlösbare Aufgabe stellte. Er kratzte sich am Kopf, auch mehrmaliges Wiederholen der Frage schien ihn der Erkenntnis keinen Schritt näherzubringen.
    Stella sah zu. In diesem Fall konnte sie nicht helfen. Sie verfluchte nicht zum ersten Mal ihre Faulheit, die sie seinerzeit im Studium dazu genötigt hatte, den kostenlosen Frühmorgenunterricht in Italienisch nach wenigen Stunden sausen zu lassen. Jetzt wären ein paar Kenntnisse sehr dienlich gewesen. Sie überlegte, ob sie es wagen konnte, über den Schoß des Taxifahrers zu langen, um ihm die verdammte Karte zu entwenden, als ihr Handy klingelte. Die beiden Männer hielten in ihrem ergebnislosen Palaver erschrocken inne. Es dauerte ein paar Sekunden bis Stella registrierte, dass dieses Für-Elise-Gedudel für sie bestimmt war. Offensichtlich hatte das Taxi in den allgegenwärtigen Funklöchern versehentlich an einer Stelle gehalten, wo die Signale ausnahmsweise ankamen. Es dauerte eine Weile, bis Stella in dem Krimskrams ihrer Tasche das Handy orten konnte. Es klingelte schon nicht mehr. Aber da die Genies der modernen Technik die Rückruftaste erfunden hatten, leuchtete Luis’ Handynummer auf dem Display. Ausgerechnet Luis, der doch auch um die Allgegenwart der Funklöcher wusste und grundsätzlich nicht als großer Plauderer durch die Welt trieb. Was er wohl wollte?
     
    »Stella!« Er hörte sich weit entfernt an, mit so viel Rauschen im Hintergrund, dass sie mehr ahnte als hörte, was er sagte, und trotzdem spürte sie im ersten Moment, dass etwas nicht stimmte. Ihr Herz raste von normal auf Lichtgeschwindigkeit. Angst, stellte sie fest.
    »Stella, ich bin zusammengeschlagen worden und schaffe es nicht mehr bis zum Auto.«
    »Wo bist du?«
    Sphärisches Rauschen. »Ich weiß nicht genau.«
    »Ruf die Ambulanz an!«
    »Wie denn?«
    »Über den ADAC.«
    »Ich bin Schweizer.«
    Ach ja, vergessen. Als Schweizer Autofahrer ist man nicht Mitglied im ADAC. Aber vielleicht in einem anderen Autoclub. Hatte er den nicht auf seinem Handy gespeichert?
    »Ich kann die Ambulanz nicht anrufen, wenn ich nicht weiß, wo ich bin«, erinnerte Luis sie unter vielem Rauschen und Ächzen.
    Stella wurde nervös. Er hörte sich schwach an und brauchte ewig, als müsse er für jedes Wort lange um Atem ringen. Sie hatte ihr Handy seit Urzeiten nicht mehr aufgeladen, es konnte jederzeit seinen Geist aufgeben. »Wo ist dein Auto?«
    »Auf dem Parkplatz der Cantina Colle dei Cavalli.«
    Verdammt, wenn sie sich nur erinnern könnte, wo das schon wieder war. Ausgerechnet jetzt stand sie mit einem völlig unfähigen Taxifahrer mitten in der Pampa. Verirrt. Unfähig, selbst ihren Weg zu finden.
    Der Afghane hatte seine unergiebige Diskussion mit dem Bauern beendet und die Fensterscheibe wieder hochgekurbelt. So alt war sein Taxi, dass er noch kurbeln musste. Stella unterbrach sein vergebliches Gegurgele am Anlasser, der den Wagen wieder starten sollte, und tippte ihm auf die Schulter. »Stopp. Ich telefoniere.« Nicht, dass er sie wieder ins nächste Funkloch hineinfuhr. Erstaunlicherweise verstand er sie auf Anhieb und gab seine Bemühungen auf.
    »Stella, bist du noch da? Cavalli. Landwirtschaftliche Genossenschaft. Da, wo wir das Öl gekauft haben. Ich kann mich nicht bewegen, ich glaube, ich habe ein Bein gebrochen. Fahr zumParkplatz und such mich von dort aus. Ich liege da irgendwo in der Macchia. Es

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