Es sterben immer drei
Redestrom aber nicht beeinträchtigte. Sie schlug vor, ein bisschen shoppen zu gehen, jetzt, wo sie schon mal in einer Stadt mit einschlägigen Einkaufsmöglichkeiten waren. Geschenke für den Stammtisch mussten besorgt werden, den Englischkurs und für die Nachbarinnen auch. Das bisschen Olivenöl aus der Cantina reichte gerade mal für ihre Freundinnen Irmgard und Hilde. Es gab hier so hübsche Keramik, hatte sie gelesen. Davon was nettes Kleines, nicht zu teuer, wäre genau das Richtige. Salz- und Pfefferstreuer vielleicht. Oder Zuckerdosen.
»Mama, wir sind in Italien«, sagte Stella. »Hier gibt’s nichts Hübsches, das nicht teuer ist. Kauf noch mehr Olivenöl, aber diesmal im Supermarkt, das ist günstiger.«
Irma überhörte den Vorschlag. Sie schwor auf das Olivenöl von Aldi, weil sie dessen Geschmack schon kannte. Was sie bei dem Zeug in den italienischen Supermärkten leider nicht nachprüfen konnte. Wenn es gepanschtes Olivenöl auf dem Markt gab, dann da, vermutete sie. Sie setzte sich neben Stella ins Cabrio, die Handtasche auf den Knien, und wartete auf den nächsten Stimmungsumschwung ihrer wankelmütigen Tochter. »Ärgerst du dich über den hübschen Polizisten?«, fragte sie. »Weil er die Nacht über nicht geblieben ist?«
Stella verdrehte die Augen und startete den Wagen.
Irma zog das Hermès-Tuch aus ihrer Tasche und wickelte es sich um den Kopf. Mit Fendi-Sonnenbrille dazu sah sie aus wie Grace Kelly an der Côte d’Azur, nur mit mehr Doppelkinn.
»Also, wenn du mich fragst, ich halte ja diesen Jochen für denMörder«, sagte Irma. Sie hielt sich an der Tür fest, weil Stella die Kurven wieder mal zu rasant nahm für ihren Geschmack.
»Warum das denn?«, fragte Stella, nun doch neugierig, welche Theorien in den mütterlichen Gehirnwindungen ausgebrütet wurden.
»Also«, Irma wagte es, die Tür loszulassen, um an den Fingern die Gründe aufzuzählen, die für Jochens Schuld sprachen. »Erstens er ist Jäger, kann also schießen. Zweitens, Valerie war schwanger, aber nicht von ihm. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass wirklich dieser verrückte Kleemann der Vater sein soll, aber egal, jedenfalls muss Jochen ziemlich sauer auf sie gewesen sein. Vielleicht wollte sie ihn ja verlassen. Er wäre nicht der erste Mann, der deswegen ausrastet.« Sie schwieg. So lange, bis Stella ungeduldig fragte: »Und weiter?«
»Nichts weiter. Das sind doch zwei starke Motive.«
»Luca sagt, auch er könnte vielleicht der Vater sein. Er hatte in der fraglichen Zeit ein Techtelmechtel mit Valerie. Nix ernstes, es ging nur um Sex, aber zeitlich passt es.« Stella staunte mal wieder über sich, dass sie irgendwann doch immer ihren Widerstand aufgab und ihre Mutter in alle wichtigen Themen, die sie beschäftigten, einweihte.
»Das wundert mich nun überhaupt nicht«, sagte Irma, erfreut über diese zusätzliche Verstärkung ihrer These. »Er ist ja ein attraktiver Mann, und Valerie musste sich doch immer beweisen, dass sie jeden haben kann, den sie will. Das hat Jochen sicher irgendwann auch mitgekriegt. Eifersucht ist ein starkes Motiv. Erst recht bei einem Mann wie ihm, der es gewohnt ist, dass alles nach seinen Vorstellungen abläuft.«
»Na ja, aber deswegen gleich jemanden umbringen.« Stella versuchte zwar, mit so etwas wie Rationalität die Argumentation ihrer Mutter zu entkräftigen, aber nur halbherzig. Jochen war einfach ein zu schöner Bösewicht. Dieser Unsympath, dieser Angeber, der die Welt nach seinem Willen und seiner Vorstellung manipulierte. Sie wünschte fast, dass er der Mörderwar. Luis’ Theorie, wonach Valerie sich bei ihren Recherchen im Ölpanschskandal zu weit vorgewagt hatte und jemandem in die Quere gekommen war, schien ihr dagegen ein typisch männliches Konstrukt zu sein. Gebaut aus Fakten, Geldströmen und Machtgelüsten, nicht aus schwer greifbaren Gefühlen. Gut zu beweisen, wenn man Euros hin und her verfolgte, aber ohne Sensibilität für psychologische Feinheiten. Gut möglich, dass sich ein paar Jungs durch sein Rumschnüffeln bei ihren Geschäften gestört fühlten. Die Prügel waren die Quittung dafür. Aber immerhin hatte man es nicht für nötig gehalten, ihn gleich ganz umzubringen. Warum also hätten solche Jungs Valerie so brutal aus dem Weg räumen sollen. Die hatten andere Möglichkeiten.
»Und wie können wir Jochen den Mord nachweisen?«, fragte sie.
»Das ist die Aufgabe deines hübschen Polizisten«, stellte Irma erstaunlicherweise klar. Mit ihrem
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