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Es stirbt in mir

Es stirbt in mir

Titel: Es stirbt in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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eigene Arbeit aus dem Jahr 1952 über dieses abgedroschene Thema ruht. »Aber ich brauche ein paar Informationen. Genaue Schreibweise Ihres Namens, den Namen Ihres Professors, die Vorlesungsnummer…« Er gibt mir bereitwillig Auskunft. Während ich mir Notizen mache, erweitere ich die Öffnung meines Geistes für das übliche Sondieren meines Klienten, damit ich ein paar Anhaltspunkte für das Niveau habe, auf dem sich der Aufsatz bewegen muß. Wird es mir gelingen, eine überzeugende Fälschung in genau jenem Stil anzufertigen, den Yahya Lumumba wahrscheinlich verwenden würde? Es wird mir schon rein technisch schwerfallen, in dem Hipsterjargon der Schwarzen zu schreiben, cool, jazzy und unverschämt, jeder Satz ein Hohn auf den fetten Weißen, den Professor. Aber ich glaube, daß ich es schaffen kann. Nur – will Lumumba das überhaupt? Wird er nicht glauben, ich wolle ihn verspotten, wenn ich diesen Stil kopiere? Das muß ich vorher ganz genau wissen. Also senke ich meine Fühler durch seinen wolligen Schädel tief in die verborgene, graue Gallertmasse hinein. Hallo, du großer, schwarzer Mann! Drinnen entdecke ich eine etwas unmittelbarere und lebhaftere Version der verallgemeinerten Persönlichkeit, die er ständig vor sich herträgt: diesen aufgesetzten schwarzen Stolz, dieses Mißtrauen dem bleichgesichtigen Fremden gegenüber, dieses kichernde narzißtische Vergnügen an seinem eigenen schlanken, langbeinigen, muskulösen Körper. Doch das sind lediglich residuale Emotionen, die Standardausstattung seines Geistes. In den Bereich des soeben gedachten Gedankens bin ich noch nicht vorgedrungen. Den eigentlichen Yahya Lumumba, das einmalige Individuum, dessen Stil ich kopieren muß, habe ich noch nicht erreicht. Ich stoße tiefer. Beim Eindringen spüre ich ein deutliches Ansteigen der psychischen Temperatur, einem Hitzeausstoß vergleichbar, den ein Bergarbeiter in fünf Meilen Tiefe erlebt, wenn er sich an die Magmafeuer des Erdkerns heranarbeitet. Dieser Lumumba kocht in seinem Innern. Das Glühen, das von seiner unruhigen Seele ausgeht, mahnt mich zur Vorsicht, aber noch habe ich die gesuchte Information nicht gefunden, und deswegen suche ich weiter, bis mir auf einmal mit schrecklicher Gewalt der Lavastrom seines ungezügelten Bewußtseins entgegenschlägt. Neunmalkluger Scheißjude, beschissener Mann, wie ich diesen miesen kleinen, kahlköpfigen Saukerl hasse, dreifünfzig pro Seite will der mich begaunern ich müßte ihn runterhandeln ich sollte ihm die Zähne einschlagen dem Wucherer dem Unterdrücker von ’nem Juden würde er bestimmt nicht soviel verlangen für die Nigger schlägt er noch extra was auf die Zähne sollte man dem einschlagen an die Wand sollte man ihn schmeißen und wenn ich diese Scheiß-Arbeit selber schreibe aber das kann ich nicht Mann das ist ja der Mist ich kann’s nicht verdammt ich kann diesen Euripides Sophokles Eschilus wer kennt die schon ich hab’ andere Dinge im Kopf das Rutgers-Spiel quer durch das Feld schmeiß mir den Ball du dämlicher Furz ja so und rauf damit und hinein das war Lumumba! und Moment mal da ist er beim Werfen gefoult worden jetzt geht er an die Linie groß überlegen sechs Fuß zehn Zoll Rekordwerfer von Columbia tippt den Ball zweimal auf und – hinein! Lumumba hat, wieder mal einen ganz großen Tag Euripides Sophokles Eschilus was zum Teufel brauch’ ich über die zu schreiben was nützen einem Schwarzen die alten Griechen sind doch alle tot die Scheißkerle wie können die für das Leben der Schwarzen wichtig sein wichtig wichtig wichtig nicht für mich nur für die Juden verdammt was wissen die vierhundert Jahre Sklaverei wir haben andere Dinge im Kopf was wissen die vor allem dieser Arsch da dem ich zwanzig Dollar bezahlen muß, damit er was macht was ich nicht kann wer sagt daß ich das nötig habe wozu soll das überhaupt gut sein warum warum warum warum… Ein brüllender Feuerofen. Die Hitze ist unerträglich. Ich habe früher schon Kontakt mit sehr intensiven Seelen gehabt, weit intensiver als diese hier, aber das war, als ich noch jünger war, stärker, widerstandsfähiger. Diese vulkanische Glut ist mir zuviel. Diese wilde Verachtung für mich wird durch die wilde Selbstverachtung dafür, daß er meine Dienste braucht, noch verstärkt. Er ist ein einziges Bündel Haß. Und das kann meine arme, geschwächte Gabe nicht verkraften. Eine Art automatische Sicherheitsvorrichtung greift ein, um mich vor einer Überdosis zu bewahren: Die

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