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Es stirbt in mir

Es stirbt in mir

Titel: Es stirbt in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Spaß, weil meine Gabe wieder funktioniert, ein kurzer Ausflug in die oberen Regionen: beim Football Zähne verloren, dafür am Samstagabend im Fraternity-Haus zum Trost einen geblasen gekriegt, vage Pläne für einen Bums nach dem Spiel am nächsten Samstag, etc. etc. Im Zusammenhang mit unserer Transaktion entdecke ich Gewissensbisse, Verlegenheit, sogar einen gewissen Ärger auf mich, weil ich ihm geholfen habe. Der Dank eines goy. Ich stecke das Geld ein. Er nickt mir einmal gnädig zu und klemmt Kafkas Romane unter seinen muskelschwellenden Oberarm. Hastig, voll Scham eilt er die Stufen hinunter und in Richtung Hamilton Hall davon. Ich sehe seinem breiten Rücken nach.
    Bruno ist an der kleinen Sonnenuhr stehengeblieben, wo ihn ein schlanker, schwarzer Student angesprochen hat. Der Schwarze ist sieben Fuß groß, wahrscheinlich ein Basketballspieler. Er trägt eine blaue Mannschaftsjacke, grüne Turnschuhe und enge, gelbe Röhrenhosen. Seine Beine allein scheinen schon fünf Fuß lang zu sein. Er unterhält sich einen Moment mit Bruno. Bruno deutet zu mir herüber. Der Schwarze nickt. Offensichtlich bekomme ich einen neuen Kunden. Bruno verschwindet, und der Schwarze kommt federnd den Weg entlang und die Stufen emporgetrabt. Er ist sehr dunkel, beinahe purpurfarben, doch seine Züge sind scharf geschnitten, kräftige Wangenknochen, stolze Adlernase, schmale, eiskalte Lippen. Er sieht umwerfend gut aus, wie eine wandelnde Statue, eine Art Götterbild. Vielleicht sind seine Gene gar nicht negroid: Vielleicht ist er Äthiopier, ein Krieger aus dem Schilf des Nil? Sein pechschwarzes Kraushaar trägt er allerdings in einer riesigen, aggressiven Afrofrisur, dreißig Zentimeter oder mehr im Durchmesser, sorgfältig getrimmt. Es hätte mich keineswegs überrascht, hätte er narbengeschmückte Wangen oder einen Knochen durch die Nasenflügel getragen. Während er näherkommt, fängt mein Geist, kaum spaltbreit geöffnet, periphere, allgemeine Emanationen seiner Persönlichkeit auf. Alles berechenbar, wenn nicht sogar stereotyp: Er ist wahrscheinlich empfindlich, eingebildet, defensiv, feindselig, und seine Ausstrahlung spricht von wildem Rassenstolz, überwältigender Selbstzufriedenheit mit seinem Körper, explosivem Mißtrauen gegen andere, vor allem Weiße. Natürlich. Das bekannte Schema.
    Sein langer Schatten fällt auf mich, als die Sonne plötzlich durch die Wolken späht. Er wiegt sich herausfordernd auf den Fußballen. »Sind Sie Selig?« fragt er mich. Ich nicke. »Yahya Lumumba«, sagt er.
    »Wie bitte?«
    » Yahya Lumumba. « Seine Augen, glänzend weiß vor dem blanken Purpur seiner Haut, funkeln wütend. Dem ungeduldigen Ton seiner Stimme entnehme ich, daß es sich um seinen Namen handelt, oder jedenfalls den Namen, den er angenommen hat. Außerdem suggeriert sein Tonfall, daß er überzeugt ist, sein Name müsse überall auf diesem Campus bekannt sein. Mein Gott, was weiß denn ich über College-Basketballstars? Von mir aus kann er den Ball fünfzigmal in einem Spiel in den Korb werfen, ich würde trotzdem nichts von ihm wissen. »Sie schreiben Semesterarbeiten, hab’ ich gehört.«
    »Ganz recht.«
    »Mein Freund Bruno da hinten hat Sie mir empfohlen. Wieviel nehmen Sie?«
    »Dreieinhalb Dollar pro Seite. Getippt. Zweizeilig.«
    Er überlegt, zeigt seine Zähne und sagt: »Scheiße, das ist Wucher!«
    »Ich muß auch leben, Mr. Lumumba.« Ich hasse mich selbst für dieses speichelleckerische, feige ›Mister‹. »Das sind zwanzig Dollar für eine durchschnittlich lange Arbeit. Ein guter Aufsatz braucht eben seine Zeit, nicht wahr?«
    »Ja, ja!« Vielsagendes Achselzucken. »Okay, ich will nicht mit Ihnen handeln, man. Ich brauche Sie. Kennen Sie sich mit Europides aus?«
    »Euripides?«
    »Habe ich doch gesagt!« Er will mich auf den Leim locken, indem er mir mit diesem übertriebenen Neger-Gehabe kommt und mir sein Feldniggergequatsche von ›Euripides‹ auftischt. »Dieser Grieche, der die Stücke geschrieben hat.«
    »Ich weiß, wen Sie meinen, Mr. Lumumba. Welches Thema?«
    Er zieht einen Notizblockzettel aus der Tasche und studiert ihn betont umständlich. »Der Prof will einen Vergleich des ›Elektra‹-Themas bei Euripides, Sophokles und Esch… Asch…«
    »Aischylos?«
    »Ja, dem. Fünf bis zehn Seiten. Bis zum zehnten November. Schaffen Sie das?«
    »Ich glaube schon.« Ich greife nach meinem Kugelschreiber. »Kein Problem.« Vor allem nicht, da in den Tiefen meiner Schublade noch meine

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