Es stirbt in mir
Hinauf, du faules Judenluder! Warum steigst du nicht hinauf! Hinauf!
Na?
Nichts. Nada. Niente. Nulla. Nothing.
Rücksturz auf die Erde. Mitten in das stumme Begräbnis hinein. Also gut, dann gib eben auf, wenn du’s so willst. Also gut, ruh dich ein bißchen aus. Ruh dich aus, und dann bete, Selig. Bete.
Montag. Der Kater ist weg. Der Geist wieder aufnahmefähig. In einem Anfall kreativer Schaffenswut schreibe ich Das » Elektra « -Thema bei Aischylos, Sophokles und Euripides von vorn bis hinten um, gestalte es vollkommen neu, gestalte die Formulierung der Ideen klarer und verwende dabei genau den Ton, den ich für den perfekten Ausdruck lässiger Neger-Hipness halte. Während ich die letzten Worte in die Maschine hämmere, läutet das Telefon. Hervorragendes Timing: Jetzt habe ich Lust zu einem Gespräch. Wer ruft mich an? Judith? Nein. Es ist Lisa Holstein. »Du hattest mir versprochen, nach der Party mit mir nach Hause zu kommen«, beklagt sie sich vorwurfsvoll. »Wo, zum Teufel, hast du gesteckt? Hast du dich klammheimlich verdrückt?«
»Woher hast du meine Nummer?«
»Von Claude. Professor Guermantes.« Dieser gerissene Hund! Der weiß einfach alles. »Hör mal, was machst du gerade?«
»Ich wollte eben duschen. Habe den ganzen Vormittag gearbeitet und stinke wie ein Ziegenbock.«
»Was arbeitest du denn?«
»Ich bin Ghostwriter für die Semesterarbeiten von Columbia-Studenten.«
Nachdenkliche Pause. »Mann, du bist wirklich ’n schräger Vogel. Ich meine, im Ernst: Was arbeitest du?«
»Habe ich dir doch gerade gesagt.«
Diesmal ist die Pause noch länger. Dann: »Okay. Akzeptiert. Du bist Ghostwriter für Semesterarbeiten. Hör mal, Dave, du gehst jetzt schön duschen. Wie lange fährt man mit der Subway von der 110th Street und Broadway bis zu dir?«
»Wenn du sofort einen Zug bekommst, ungefähr vierzig Minuten.«
»Großartig. In einer Stunde also.« Klick.
Ich zucke die Achseln. Verrücktes Weib. Dave nennt sie mich. Kein Mensch nennt mich Dave. Nackt steige ich unter die Dusche, seife mich genüßlich ein. Hinterher, in einer Entspannungspause, liest David Selig, lang ausgestreckt, die Früchte seiner vormittäglichen Arbeit noch einmal durch und findet Gefallen an seinem Werk. Was Yahya Lumumba hoffentlich auch tun wird. Dann nehme ich mir den Updike vor. Als ich auf Seite vier angekommen bin, klingelt wieder das Telefon. Lisa: Sie ist an der Subway-Station 225th Street und will wissen, wie man zu meiner Wohnung kommt. Das ist jetzt aber wirklich kein Spaß mehr. Warum verfolgt sie mich so hartnäckig? Aber okay. Ich kann ihr Spiel auch spielen. Ich beschreibe ihr den Weg. Zehn Minuten später klopft es an meine Tür. Lisa in ihrem dicken, schwarzen Pullover, demselben dreckigen verschwitzten, den sie am Samstag angehabt hat, und dazu in engen blauen Jeans. Ein schüchternes Grinsen, das ganz und gar nicht zu ihr paßt. »Hallo«, grüßt sie. Und schon macht sie es sich bequem. »Als ich dich zum erstenmal sah, da wußte ich sofort intuitiv: Dieser Mann ist was Besonderes. Mach’s mit ihm. Und wenn ich etwas gelernt habe, dann, daß man seinen Intuitionen folgen soll. Ich gebe meinen Gefühlen nach, Dave, nur meinen Gefühlen.« Der Pullover ist inzwischen ausgezogen. Ihre Brüste sind schwer und rund, mit winzigen, beinahe unsichtbaren Brustwarzen. In das Tal zwischen ihnen schmiegt sich ein Davidstern. Sie schlendert durchs Zimmer, begutachtet meine Bücher, meine Platten, meine Fotos. »Und jetzt, wo ich hier bin, sei mal ehrlich«, sagt sie. »Habe ich recht? Bist du wirklich was Besonderes?«
»Das war einmal.«
»Was denn?«
»Das möchtest du wohl gern wissen, wie?« antworte ich, nehme all meine Energie zusammen und ramme meinen Geist in den ihren. Es ist ein brutaler Frontalangriff, eine Vergewaltigung, ein echter Gedankenfick. Sie selbst spürt davon allerdings gar nichts. »Ich besaß einmal eine ganz außergewöhnliche Gabe. Ich habe sie jetzt zwar fast vollständig verloren, gelegentlich kehrt sie aber noch mal zurück, und im Augenblick benutze ich sie sogar bei dir.«
»Verrückt!« konstatiert sie und streift ihre Jeans runter. Kein Slip. Lisa wird fett werden, bevor sie dreißig ist. Ihre Schenkel sind dick, ihr Bauch wölbt sich vor. Ihr Schamhaar ist ungewöhnlich dicht und bildet eher einen Rhombus als ein Dreieck, zieht sich über ihre Lenden bis beinahe zu den Hüftknochen hin. In ihren Gesäßbacken sind tiefe Grübchen. Während ich mit den Augen ihren
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