Es tut sich was im Paradies
Frau, daß sie zu Hause bleiben darf, und Sie kriegen Ihren Brief.«
»Aber ich soll einer Erpresserin trauen, was?«
Das Gespräch drehte sich hoffnungslos im Kreise und landete immer wieder an dem toten Punkt. Pippa fragte sich seufzend, ob sie die endlose Debatte bis zum Morgengrauen würde durchstehen können. In diesem Moment hörten sie einen Wagen die stille Straße entlangkommen. Er fuhr langsamer, bremste und hielt schließlich vor dem Haus. Unmöglich, dachte Pippa, nein, vollständig ausgeschlossen, daß sich um diese mitternächtliche Stunde noch ein zweiter Besucher bei ihr einfinden könnte.
Aber es war in der Tat so. Auf der Veranda erklang ein Schritt und eine Stimme fragte: »Ist etwas nicht in Ordnung? Oder weshalb brennt bei Ihnen noch Licht?«
Pippa platzte in ein krampfhaft unterdrücktes Lachen aus und bemühte sich, ruhig zu antworten: »Bitte, kommen Sie doch rein, Doktor Horton, die Tür ist nicht abgeschlossen«, während sich Sam West verzweifelt nach einer Fluchtmöglichkeit umsah.
Der Doktor zeigte keinerlei Überraschung bei dem ungewöhnlichen Bild, das sich ihm bot: Pippa im Morgenrock, Mohr in tiefsinniger Haltung, die Augen wie gebannt auf Sam Wests Kehrseite gerichtet, und schließlich der Vorsitzende des Gemeinderates selbst, mitten in der Nacht offenbar von leidenschaftlichem Leseeifer ergriffen. Der Arzt sagte nur freundlich: »Ich sah das Licht und dachte, Sie hätten vergessen, es auszuschalten, und es könnte unter Umständen Einbrecher anlocken... Was ist denn los?« Denn Pippa war von einem ihrer gefürchteten Kicheranfälle gepackt worden, deren sie sich so schämte und von denen James immer warnend gesagt hatte, sie würden noch einmal ihre ganze Zukunft verpfuschen.
Sie sank an ihrem Schreibtisch zusammen, vergrub das Gesicht in den Armen und kapitulierte restlos, während Mohr, hin- und hergerissen zwischen seiner Pflicht, den Feind im Auge zu behalten, und dem sehnlichen Verlangen, sein offenbar vom Irrsinn befallenes Frauchen zu trösten, ein lautes Gejaule anstimmte. Dr. Horton meinte sachlich: »Trinken Sie etwas. Ich hole Ihnen ein Glas Wasser.«
Pippa hob den Kopf, wischte sich völlig erschöpft die Lachtränen von den Wangen und sagte: »Mir fehlt gar nichts. Ich bin auch nicht hysterisch. Es ist nur — nur so entsetzlich komisch. Oh, ich wollte, ich könnte es Ihnen erklären.«
In fieberhafter Eile schaltete sich Sam West ein: »Einfach übermüdet ist sie: Hätte sie nicht wegen eines Buches noch stören sollen, so spät abends. Aber Sie wissen ja, wie’s ist, Doktor, wenn man keinen Schlaf finden kann.«
Diese himmelschreiende Lüge überwältigte Pippa abermals, doch kam ihr mitten in dieser erneuten Attacke blitzartig ein Gedanke. Sie horte auf zu lachen und wendete sich an Dr. Horton: »Da Sie gerade hier sind — ob Sie mir wohl helfen können... das heißt, richtiger gesagt, uns? Doktor, würden Sie für eine Minute dort hineingehen, während wir etwas besprechen? Nicht ins Wohnzimmer, bitte, da schläft Doris, aber in die Küche.«
»Klingt ja wie >Drei Fragen hinter der Tür<«, meinte er belustigt und ging.
Als er verschwunden war, drehte sich Pippa um und fragte Sam West: »Trauen Sie Doktor Horton?«
»Trauen? Ein anständiger Kerl ist er ja, aber ich verlasse mich so leicht auf keinen Menschen, wenigstens nicht in persönlichen Angelegenheiten. Warum?«
»Na, irgend jemanden müssen wir ja hinzuziehen, denn mir schenken Sie doch kein Vertrauen, nicht?«
Die Antwort darauf war kurz, aber deutlich, und sie fuhr fort: »Sehen Sie, genauso geht’s mir mit Ihnen. Aber bei Doktor Horton können Sie sicher sein. Ich gebe ihm den Brief... Ach, regen Sie sich doch nicht so auf — natürlich in einem versiegelten Umschlag. Und ich werde ihn bitten, Ihnen den Brief auszuhändigen, sobald Doris wieder zu Hause eingezogen und anstandslos auf genommen ist.«
»Und was soll er davon denken?«
»Ich glaube nicht, daß Doktor Horton viel Zeit darauf verschwendet, über Dinge nachzudenken, die ihn nichts angehen, das ist absolut nicht seine Art. Auf keinen Fall wird er vermuten, daß ich Sie dazu gezwungen habe, sondern nur überglücklich sein, Doris hier zu haben, damit sie sich um ihre Mutter kümmern kann. Und daß der Brief geöffnet wird — na, deswegen brauchen Sie sich wohl kaum Sorgen zu machen.«
»Gefällt mir nicht. Ganz und gar nicht.«
Nach abermaligem Hin und Her mußte er jedoch zugeben, daß ihr Vorschlag die einzig mögliche
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