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Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition)

Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition)

Titel: Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. J. Brackston
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hielt sich aber zurück. Vor allem, weil sie gar nichts sagen konnte. Die Devise lautete, Atmen oder Sprechen, beides zugleich kam nicht infrage. Folglich hob sie die Hand   – auf eine Weise, von der sie hoffte, dass sie beruhigend wirkte   –, um Aufregung und Aufmerksamkeit aus dem Weg zu gehen. Ihr Plan war, der Gruppe so weit zu folgen wie nötig und den Führer dazu zu benutzen,sicher bis auf die Ebene der letzten Jagdhütte zu kommen. Von dort wollte sie sich nach einem Pfad umschauen, der zu einem Bach führte, sich davonschleichen und hoffentlich den Troll aufspüren. Mit ein bisschen Glück wären die anderen viel zu sehr damit beschäftigt, irgendeine seltene Butterblume zu studieren, als dass sie ihre Abwesenheit bemerkten.
    Gretels linker Fuß trat einen Stein los und schickte ihn in schnellem Flug den steilen Hang hinunter. Sie schnappte nach Luft und klammerte sich an dem einzigen Strauch fest, der die Verwegenheit besaß, an solch einem Ort zu wachsen. Zur Abwechslung war sie einmal dankbar für die festen Wanderstiefel, die anzuziehen sie sich durchgerungen hatte.
    Nach einer weiteren Stunde schweißtreibenden Kraxelns, in der die Pracht der Landschaft an Gretel vollends verschwendet war, hatten sie tatsächlich die am höchsten gelegene Jagdhütte erreicht. Wenige Meter entfernt entdeckte Gretel einen schmalen Pfad, der sich nach rechts davonschlängelte, während der Weg, den sie gekommen waren, scharf in die entgegengesetzte Richtung abknickte. Gretel ließ sich noch ein Stück weiter zurückfallen und wartete, bis sie sicher war, dass niemand sie beobachtete, ehe sie davonhuschte.
    Es war ein Segen, zum ersten Mal an diesem Vormittag bergab gehen zu dürfen. Ihre Freude, sich nicht mehr aufwärtsschleppen zu müssen, war stärker als die Vernunft, und so stürmte sie den Pfad bald in beängstigender Geschwindigkeit hinunter. Sollte sie bei diesem Tempo stolpern, konnte nichts ihren Sturz auffangen. Nur ein Fehltritt, und sie würde den ganzen Weg bis nach Bad am See hinunterrollen. Doch glücklicherweise wurde der Pfad allmählich flacher, wodurch ihr Abstieg gebremst wurde.
    Nach einiger Zeit entdeckte sie einen munter plätscherndenBach. Der Pfad folgte seinem Ufer und überquerte ihn bald darauf über eine alte Steinbrücke. Gretel beugte sich über das Geländer, um in die Finsternis unter dem niedrigen Steinbogen zu spähen. Es war zu dunkel, um irgendetwas deutlich zu erkennen, doch in ihrer Vorstellung verbarg sich eine kleine Tür in den Schatten.
    Gretel überquerte die Brücke, verließ den Pfad und kletterte das Ufer hinunter. Als Erstes begegnete ihr ein Übelkeit erregender Gestank, wie sie ihn noch nie wahrgenommen hatte. Er schien von allerlei verrottenden Dingen und verdorbenen Überresten unbeschreiblicher Abscheulichkeiten auszugehen, angereichert mit Jauche und anderen, unbekannten Zutaten. Gretel zog hastig ein Taschentuch hervor und hielt es sich vor Mund und Nase. Das Nächste, was ihr begegnete, war ein nachlässig bemaltes Schild: »Warnunk! Personen Eindriengen Beser Niecht!«
    Ihr kam der Gedanke, dass Agnes’ Vision sie in gewisser Weise in die Irre geführt hatte, doch sollte sie einen Beweis benötigen, dass sie am richtigen Ort war, sah sie ihn hier vor sich. Und das Schild bewies überdies, dass der Troll nicht sonderlich gebildet oder belesen war. Dass er überhaupt schreiben konnte, versetzte Gretel bereits in Erstaunen, und erst in diesem Moment wurde ihr klar, dass sie so gut wie nichts über diese Kreaturen wusste. Waren sie groß oder klein? Beängstigend oder harmlos? Freundlich oder gefährlich? Das Schild jedenfalls deutete darauf hin, dass Besucher nicht willkommen waren.
    Gretel drückte die Schultern durch, tätschelte die Beutel mit Goldmünzen und Banknoten, die sie in ihrem Korsett verstaut hatte, und sagte sich, dass so ziemlich jeder seinen Preis hatte.
    »Hallo«, rief sie. »Jemand zu Hause?«
    Schaurig hallte ihre Stimme durch die von der Brücke gebildete Höhle. Nun, da ihre Augen sich an das wenige Licht gewöhnt hatten, sah sie, dass es tatsächlich einen Eingang gab, wie sie vermutet hatte. Er wurde von einer überaus dicken Tür versperrt.
    »Hallo?«, versuchte Gretel es erneut. »Herr Troll, seid Ihr hier?«
    Plötzlich fiel etwas Mächtiges von der Brücke und landete auf dem steinigen Boden hinter ihr. Gretel musterte es, doch vor dem hellen Tageslicht konnte sie nur eine gestaltlose Silhouette erkennen. Sie war tief zu Boden

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